19.01.2011 | St. Matthäus 17,24-27 | Mittwoch n.d. 2. Sonntag n. Epiphanias

Als sie nun nach Kapernaum kamen, traten zu Petrus, die den Tempelgroschen einnehmen, und sprachen: Pflegt euer Meister nicht den Tempelgroschen zu geben? Er sprach: Ja. Und als er heimkam, kam ihm Jesus zuvor und fragte: Was meinst du, Simon? Von wem nehmen die Könige auf Erden Zoll oder Steuern: von ihren Kindern oder von den Fremden? Als er antwortete: Von den Fremden, sprach Jesus zu ihm: So sind die Kinder frei. Damit wir ihnen aber keinen Anstoß geben, geh hin an den See und wirf die Angel aus, und den ersten Fisch, der heraufkommt, den nimm; und wenn du sein Maul aufmachst, wirst du ein Zweigroschenstück finden; das nimm und gib's ihnen für mich und dich.


Heute Abend werden wir im Kirchenvorstand auch über den Abschluss des Gemeindehaushaltes im vergangenen Jahr sprechen. Wie viel Geld wird wohl im letzten Jahr eingegangen sein – und wird es wohl reichen, um die Ausgaben des vergangenen Jahres halbwegs abzudecken?

Ja, wie ist das möglich, dass Menschen, die zu unserer Gemeinde gehören oder sich ihr verbunden fühlen, jedes Jahr insgesamt sechsstellige Summen an die Gemeinde zahlen und so ihren Beitrag dazu leisten, dass wir unser Gemeindeleben so gestalten können, wie dies tatsächlich bei uns auch der Fall ist? Gewiss, da gibt es diesen Passus in unserer Gemeindeordnung, dass die Glieder unserer Gemeinde nach Gottes Wort dazu verpflichtet sind, zur Erfüllung der kirchlichen und gemeindlichen Aufgaben mit Beiträgen, Spenden und Kollekten freiwillig und in angemessener Höhe beizutragen. Doch in der Formulierung steckt ja genau die Spannung drin, um die es beim Thema „Geld in der Kirche“ immer wieder geht: Die Gemeindeglieder sind zum freiwilligen Abgeben verpflichtet. Was denn nun – freiwillig oder verpflichtet?

Einer ganz ähnlichen Diskussion, Schwestern und Brüder, begegnen wir auch in der Predigtlesung des heutigen Abends: Da schildert der Evangelist St. Matthäus, wie der Apostel Petrus in Kapernaum auf Leute traf, die dafür zuständig waren, den sogenannten Tempelgroschen von allen jüdischen Bewohnern des Landes einzukassieren. Diese Tempelsteuer diente wesentlich der Finanzierung des Tempelbetriebs; sie wurde jedes Jahr in der Regel etwa vier Wochen vor Beginn des Passafestes jeweils am Wohnort der Steuerpflichtigen eingetrieben. Von allen wurde dieser Tempelgroschen, wurden diese zwei Drachmen ganz selbstverständlich gezahlt – ausgenommen waren nur die Priester und mitunter auch die Rabbiner. Und von daher ist die Frage der Steuereintreiber an Petrus verständlich: Wie steht es mit eurem Meister, der doch auch von vielen Rabbi genannt wird? Zahlt der nun auch seine Tempelsteuer oder nicht? Und Petrus antwortet ganz selbstverständlich, ohne mit Jesus überhaupt Rücksprache zu halten: Ja, natürlich zahlt der auch seine Tempelsteuer! Nein, Jesus klinkt sich von der Unterstützung des Tempelgottesdienstes in Jerusalem nicht aus, weder mit dem Verweis darauf, dass er als Sohn Gottes dazu doch nun wirklich nicht verpflichtet ist, noch mit dem Verweis darauf, dass er als Rabbi doch möglicherweise eine Steuerbefreiung geltend machen könnte.

Jawohl, ganz freiwillig zahlt Jesus die Tempelsteuer, so macht er es anschließend auch in seinem Gespräch mit Petrus deutlich: Wer Kind Gottes ist, der dient Gott nicht deshalb, weil er dazu gezwungen wäre, sondern der ist frei. Doch diese Freiheit nutzt ein Kind Gottes eben nicht dazu aus, sich persönlich einen Vorteil zu verschaffen, sondern es nutzt diese Freiheit dazu, anderen keinen Anstoß zu geben, sich der Gemeinschaft nicht zu entziehen, in der es eingebunden ist.
Und genau darum geht es auch in unserer Gemeinde: Wir hätten als Körperschaft des öffentlichen Rechts tatsächlich die Möglichkeit dazu, von allen Gemeindegliedern auch die Kirchenbeiträge über das Finanzamt einzuziehen, ja, auch die Zwangsmittel des Staates in Anspruch zu nehmen, um zu bekommen, was uns laut der Gemeindeordnung zusteht. Ich will diese Möglichkeit auch gar nicht grundsätzlich verteufeln. Aber es ist dennoch auf jeden Fall gut und sinnvoll, dass wir von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, sondern darauf setzen, dass die, die zur Gemeinde gehören, als Kinder Gottes freiwillig geben, was für den Gottesdienst, was für den Dienst im Reich Gottes nötig ist. Ja, sinnvoll ist es, dass wir darauf vertrauen, dass auch die Kinder Gottes in unserer Gemeinde in der rechten Weise mit der Freiheit umgehen, in die sie von ihrer Taufe her gestellt sind, dass sie diese Freiheit nicht dazu gebrauchen, sich ihren eigenen finanziellen Vorteil zu verschaffen, sondern auch mit ihren finanziellen Mitteln ihre Liebe zum Nächsten, zu den Brüdern und Schwestern in der Gemeinde, zum Ausdruck bringen. Von der Freiheit, die uns als Christen geschenkt ist, sollten wir also auch entsprechend reden, wenn wir Gemeindeglieder dazu ermutigen wollen, ihre finanzielle Verantwortung für die Gemeinde wahrzunehmen, vielleicht doch auch noch besser wahrzunehmen als bisher. Wir haben es in der Gemeinde nicht mit steuerzahlenden Untertanen zu tun, sondern mit der Familie Gottes, mit lauter Angehörigen eines Königshauses, denen man nichts abpressen muss, sondern die von selber ihren Beitrag für Gottes Familie leisten.

Soweit zum Thema „Kirchenbeiträge“. Doch Jesus geht hier in unserer Predigtlesung noch einen Schritt weiter, wenn er Petrus gegenüber ganz allgemein das Thema der Zahlung von Zöllen und Steuern anspricht: Wie sollen sich Christen verhalten, wenn ein gottloser Staat von ihnen Steuern verlangt, die er möglicherweise für Zwecke verwendet, die wir als Christen niemals gutheißen könnten? Als Matthäus damals sein Evangelium gerade geschrieben hatte, wurde dies für ihn und andere Juden ganz schnell eine sehr brennende Frage. Denn der römische Kaiser erlegte den Juden, kaum dass er Jerusalem erobert und den Tempel zerstört hatte, eine neue Steuer auf: eine Tempelsteuer für den Tempel des Iuppiter Capitolinus. Einen heidnischen Tempel sollten die Juden nun mit ihren Steuerzahlungen unterstützen. Das war für viele Juden, ja, gerade auch für viele Judenchristen ganz bitter, ja, kaum erträglich. Wie sollten sich die Judenchristen von daher verhalten? Sollten sie sich dem bewaffneten Aufstand gegen die Römer anschließen? Jesus rät dem Petrus hier nicht dazu: Dass ihr dem Kaiser unterworfen seid, ändert nichts daran, dass ihr Kinder Gottes und darum freie Menschen seid. Vertraut auf Gott, der euch immer wieder von Neuem versorgt und euch genug gibt, dass ihr davon dann auch abgeben könnt, ja, auch an einen gottlosen Staat, mit dessen Geldverwendung ihr vielleicht überhaupt nicht einverstanden seid. Geld und Steuern sind das eine; Herz und Gehorsam sind etwas Anderes.

Schwestern und Brüder: Gewiss befinden wir uns nicht in derselben Situation wie Matthäus und die Judenchristen damals. Doch die Fragen liegen für uns vielleicht auch nicht so fern: Können wir es als Christen beispielsweise verantworten, Steuern zu zahlen an einen Staat, der dieses Geld auch dazu gebraucht, die Tötung ungeborener Kinder und manch anderes zu unterstützen, was wir als Christen niemals gutheißen können? Doch solange wir auf dieser Erde leben, so macht es uns Christus deutlich, werden wir eben niemals unter einer Obrigkeit leben, die nichts Anderes tut, als Gottes Willen umzusetzen. Reiben wir uns darum nicht in Kämpfen um Steuern auf, sondern nutzen wir die Möglichkeiten, die uns der Staat lässt, um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, um Menschen die Freiheit nahezubringen, in der wir als Kinder Gottes leben dürfen! Danken wir Gott dafür, dass er uns auch nach dem Zahlen unserer Steuern an den Staat immer noch genug Geld zum Leben lässt – ja, sogar immer noch genug Geld, dass wir davon dann auch an die Gemeinde, an die Familie Gottes abgeben können. Nein, dazu muss uns wahrlich keiner zwingen, das tun wir gerne um dessentwillen, der allein der Herr unseres Herzens, unseres Gewissens ist: um Christi willen, der sich damals auf seinem Weg ans Kreuz auch der irdischen Obrigkeit unterworfen hat, um uns in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes zu führen. Amen.