24.02.2013 | St. Johannes 8,21-30 | Reminiszere

Habt ihr in letzter Zeit auch mal leckere Lasagne vom Discounter gegessen? Oder ist euch daran vielleicht auch mittlerweile der Appetit vergangen, wenn ihr daran denkt, dass ihr neulich möglicherweise ein Pony oder ein Rennpferd verspeist habt? Ja, die Wut der Verbraucher in ganz Europa ist groß, nachdem sie erfahren hatten, dass ihnen da in der Verpackung und nachher auf dem Teller etwas ganz Anderes präsentiert worden war, als was draußen auf der Verpackung draufstand. Und so werden im Augenblick überall kluge Überlegungen angestellt, wie man so etwas in Zukunft vermeiden kann, gewährleisten kann, dass man tatsächlich auch das serviert bekommt, was man von einem Produkt erwarten konnte.

Schwestern und Brüder: Ich will euch heute von einem noch viel krasseren Pferdefleisch-Skandal berichten, von einem Skandal, bei dem allerdings im Augenblick noch kein großer Aufschrei zu vernehmen ist, weil fast alle Beteiligten ihn für ganz normal, für ganz in Ordnung halten. Und dieser Pferdefleisch-Skandal, der spielt sich mitten in der Kirche ab. Eigentlich sollte es ja klar sein, was die Kirche denen, die zu ihr kommen, zu servieren hat: Natürlich nichts Anderes als das, was draufsteht, besser gesagt: was drinsteht in der Heiligen Schrift – rein und unverfälscht, ohne Billigzusätze. Ihn, Jesus Christus, hat die Kirche den Menschen zu präsentieren, ihn, den wahren Gott, der von Gott dem Vater gekommen ist, um die Menschen durch seinen Tod am Kreuz zu retten, damit sie durch den Glauben an ihn, den gekreuzigten Gott, selig werden.

Doch diese Botschaft lässt sich scheinbar nicht so gut verkaufen, ja, sie scheint doch zu schwer verdaulich zu sein. Und so wird denen, die zur Kirche kommen, nicht selten scheinbar leichter verdauliche Kost serviert, die doch in Wirklichkeit nichts Anderes ist als eine Mogelpackung: Man redet von einem Kuschelgott, der einfach für alles Verständnis hat, was Menschen tun, präsentiert ein paar menschliche Nettigkeiten, verpackt mit dem Aufruf zu Nächstenliebe und Solidarität, redet statt von dem Gottessohn Jesus Christus nur noch von einem Vorbild im Glauben, bemüht sich, mit dem, was man sagt, ja keinem einen Anstoß zu bereiten. Das Anliegen dabei klingt ja durchaus ehrenwert: Man möchte den Menschen alle Schwellen beseitigen, die sie daran hindern, den Weg zum Glauben zu finden. Doch wo der Inhalt dessen, was den Glauben eigentlich ausmacht, gar nicht mehr zur Sprache kommt, nützt es natürlich auch nichts, die Menschen zu irgendeiner Form von Gläubigkeit oder allgemeiner Religiosität anzuleiten. Und letztlich unterscheidet sich das Vorgehen derer, die ihren Hörern in der Kirche ein mehr oder weniger deutlich verändertes Menü servieren, auch wieder gar nicht so sehr von den Pferdefleisch-Verkäufern: Denn letztlich geht es in beiden Fällen um den Erfolg, den man anstrebt: ob es nun das Gewinnstreben der Fleischverkäufer ist oder ob es das Schielen nach Zustimmungsquoten ist, das Schielen danach, was bei den Leuten gut ankommt, was bei ihnen Beifall findet.

Doch in unserer heutigen Predigtlesung macht uns Christus selber deutlich, dass die Pferdefleisch-Methode in der Kirche niemals Erfolg haben wird: Wir Menschen sind nicht dazu in der Lage, auch nur bei einem einzigen anderen Menschen den rettenden Glauben zu wirken. Das schaffen wir nicht, nicht mit einer noch so hübschen Verpackung unserer Verkündigung, nicht mit einer homöopathischen Verdünnung der Glaubensinhalte, nicht mit irgendwelchen Methoden, Tricks oder Gemeindewachstumsprogrammen. Auch wir selber können nicht glauben. Das können wir nicht, weil auch wir von Geburt an „von unten her“ sind, wie Jesus hier formuliert, getrennt von Gott, ohne jeglichen Draht zum Himmel. Und wer von unten her ist, der kann nicht an den glauben, der von oben her ist, kann nicht selber verstehen und erkennen, dass dieser Jesus Christus die Brücke ist, die Gott zwischen sich und uns gebaut hat.

Und das ist eben nicht bloß ein bisschen schade, wenn Menschen nicht an Jesus Christus glauben, da geht es nicht bloß darum, ob eine Organisation Erfolg hat, Mitgliederzuwächse oder Mitgliederschwund zu verzeichnen hat. Sondern es geht darum, so macht es Christus hier selber deutlich, ob Menschen in ihrer Trennung von Gott, in ihrer Sünde sterben.

Schwestern und Brüder: Es ist eigentlich unglaublich: Da regen sich Menschen verständlicherweise darüber auf, dass sie vielleicht in letzter Zeit, ohne es zu ahnen, ein halbes Pony verspeist haben. Ist ja auch nicht schön, man muss nicht unbedingt ein Pferdefleischliebhaber sein. Aber sterben tut man an LIDL-Lasagne nicht, selbst wenn die darin enthaltenen Pferde vor ihrem Ableben noch die eine oder andere Medizin verabreicht bekommen hatten. Nichtsdestoweniger erscheint manchen der Genuss von LIDL-Lasagne zurzeit das Furchtbarste zu sein, was einem Menschen widerfahren kann. Doch darüber, dass Menschen überall in der Welt und eben auch in unserem Land in ihren Sünden sterben, weil sie nicht in Jesus Christus Vergebung, Leben und Frieden finden, darüber regt sich kaum einer auf. Da werden keine Aktionspläne geschmiedet, wie man Menschen vor diesem ewigen Tod bewahren kann, im Gegenteil: Man meint, das Problem dadurch lösen zu können, dass man es schlicht und einfach bestreitet, dass es so etwas wie den ewigen Tod, die ewige Trennung von Gott gibt; man meint, das Problem dadurch lösen zu können, dass man aus dem christlichen Glauben ein unverbindliches Wohlfühlangebot macht.

Doch Jesus lässt nicht locker: Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden. Alles hängt davon ab, dass wir glauben, dass Jesus der ist, der er zu sein behauptet: „Ich bin“, sagt er, und jeder, der auch nur ein bisschen das Alte Testament kennt, der weiß, was für einen Anspruch Jesus damit erhebt: „Ich bin, der ich bin“, das ist die Antwort, die Gott dem Mose gab, als er ihn beim brennenden Dornbusch nach seinem Namen fragte. „Ich bin“: Das ist der Gottesname, den Jesus hier in den Mund nimmt und ihn auf sich bezieht: Ja, wenn ihr nicht glaubt, dass ich Gott bin, der Gott, der Mose am Dornbusch erschienen ist, wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden. Ja, eine Kirche, die ihren Hörern nicht mehr verkündigt, dass Jesus Gott ist, dass in Jesus ihnen Gott selber begegnet, die lässt Menschen sterben in ihren Sünden.

Noch einmal: Wir haben es nicht in der Hand, auch nur bei einem einzigen Menschen diesen Glauben an Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, zu wirken. Ja, mehr noch: Wir wissen, dass diese Botschaft, dass wir in Jesus Christus Gott selber finden, von den meisten Menschen heute auch als absurd und abstoßend empfunden wird. Da müssen wir noch nicht einmal in muslimische Länder fahren, wo eben diese Behauptung Jesu als höchste Gotteslästerung angesehen wird. Begeisterungsstürme werden wir mit dieser Behauptung auch in unserem Lande nicht unbedingt ernten. Und doch bleibt es unser Auftrag, genau dasselbe zu tun, was Jesus hier in unserer Predigtlesung auch tut: Als seine Zuhörer ihn nach seiner Rede noch einmal fragen, wer er denn nun sei, verweist er noch einmal auf das, was er schon gesagt hat, ändert nichts daran, als er merkt, dass er damit nicht so gut bei den Menschen ankommt.

Genau das ist und bleibt unsere Aufgabe: Christus zu verkündigen und noch einmal Christus zu verkündigen und noch einmal Christus zu verkündigen. Und dabei haben wir eine wunderbare Verheißung: „Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin“, sagt Jesus. Von seinem Kreuzestod spricht er hier, durch den er die Trennung von oben und unten überwunden hat, durch den er die Strafe für unsere Sünde, für unseren Unglauben auf sich genommen und weggetragen hat. Da, wo das Wort vom Kreuz verkündigt wird, wo die Botschaft vom gekreuzigten Gott verkündigt wird, da geschieht immer wieder neu dies Wunder, dass Menschen ihn erkennen als der, der er wirklich ist, da geschieht immer wieder neu dies Wunder, dass Menschen an ihn, Jesus, glauben, nicht in ihren Sünden sterben, sondern das ewige Leben empfangen. Ja, noch ist Gnadenzeit, so ruft es Jesus seinen Zuhörern, so ruft er es auch uns zu. Noch steht die Tür weit offen, durch die Menschen den Weg zu ihm, dem lebendigen Gott, gehen können.

Lassen wir es uns darum nicht verdrießen, immer wieder dieselbe Botschaft von Christus, dem Sohn Gottes, für uns am Kreuz gestorben, zu hören. Diese Botschaft rettet uns zum ewigen Leben. Ja, lassen wir uns durch nichts und niemand davon abhalten, diese und keine andere Botschaft auch anderen Menschen weiterzusagen, solange wir dazu noch die Möglichkeit haben. Dies ist und bleibt der wichtigste Auftrag der Kirche, von dem her wir alles, was wir in der Kirche sonst noch tun, zu ordnen haben. Und lassen wir uns in diesem Glauben an ihn, den gekreuzigten Gott, dann immer wieder neu dadurch stärken, dass wir seinen für uns geopferten Leib, sein für uns vergossenes Blut im Heiligen Mahl empfangen. Auch hier bekommt ihr keine Mogelpackung, kein bloßes Symbol, kein leeres Zeichen, sondern genau das, was Jesus euch sagt: seinen wahren Leib, sein wahres Blut. Nein, Jesus ist nicht weg; er ist hier. Hört auf ihn und empfangt ihn – und ihr werdet leben in Ewigkeit. Amen.