08.12.2013 | Offenbarung 3,7-13 | Zweiter Sonntag im Advent
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Habt ihr heute Morgen schon die Tür in eurem Adventskalender geöffnet? Ja, das ist ein sehr verbreiteter Brauch hier in Deutschland, dass man in der Adventszeit jeden Tag eine kleine Tür in einem Kalender öffnet, hinter der sich dann jeweils irgendeine Süßigkeit oder eine andere Überraschung verbirgt. Jeden Tag soll so die Vorfreude gesteigert werden auf das letzte Türchen am 24. Dezember, dem Heiligen Abend, an dem wir die Geburt unseres Herrn Jesus Christus feiern.

Um offene Türen geht es in besonderer Weise in dieser Adventszeit; um offene Türen geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Zweiten Sonntags im Advent. An eine kleine christliche Gemeinde im Gebiet der heutigen Türkei sind die Worte gerichtet, die wir eben gehört haben und in denen ebenfalls von einer offenen Tür die Rede ist und vor allem von dem, der diese Tür aufzuschließen vermag. Ja, gleich in mehrfacher Hinsicht spricht der Seher Johannes hier im Auftrag seines Herrn Jesus Christus von offenen Türen – von offenen Türen, die nicht nur damals in der Gemeinde in Philadelphia offenstanden, sondern die auch heute noch bei uns offenstehen:

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit“ – so haben wir es am letzten Sonntag im Gottesdienst gesungen. Ja, genau darum geht es zunächst einmal und vor allem in dieser Adventszeit: um das Kommen unseres Herrn Jesus Christus zu uns, in unsere Welt. Nein, Jesus ist eben nicht bloß ein Prophet, er ist, so stellt er sich hier selber vor, „der Heilige, der Wahrhaftige“. „Der Heilige, der Wahrhaftige“ – das sind Worte, mit denen im Alten Testament immer wieder kein Geringerer als Gott selber beschrieben wird. Ganz offen sagt es uns Jesus hier: Jawohl, ich bin Gott selber, in mir kommt Gott selber zu euch. Was für eine wunderbare Botschaft: Gott bleibt nicht irgendwo im Jenseits, ganz weit weg von uns. Gott ist nicht der große, ferne Gott. Sondern er kommt, er kommt zu uns, jawohl, möchte Einzug halten in unserem Leben, möchte Einzug halten hier in unserer Gemeinde. Nein, er kommt nicht, um uns zu verdammen, um uns mit seiner Heiligkeit zu erschlagen. Er kommt, damit wir nicht länger getrennt von ihm bleiben, damit es in unserem Leben ganz warm und hell wird in seiner Gegenwart. Und diese frohe Botschaft, die öffnet Türen, öffnet Türen in unserem Leben und auch in unserer Gemeinde – ja, wie sollten wir uns diesem Kommen unseres Herrn verschließen, wenn wir erkannt haben, wer der ist, der da kommt! Und so erleben wir es heute nun wieder, wie dieser Herr, wie der Heilige und Wahrhaftige bei uns Einzug hält, zu uns kommt, hier in diesem Gottesdienst, wenn wir sein Wort hören, wenn wir nun gleich wieder seinen Leib und sein Blut im Heiligen Mahl empfangen. Ja, macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit! Und wenn er kommt, dann passiert etwas, so erfuhren es damals die Christen in Philadelphia, so erfahren auch wir es heute. Damals erfuhren die Christen in Philadelphia, dass Feinde ihrer Gemeinde, dass Menschen, die zunächst nichts von der Christusbotschaft hören wollten, am Ende doch von Christus dazu gebracht wurden, an ihn zu glauben, vor ihm vor Freude niederzufallen. Heute erfahren wir es hier in unserer Mitte ebenfalls, wie Menschen, die lange Zeit ganz weit weg vom christlichen Glauben waren, den Weg zu Christus finden, ihn nun als ihren Herrn und Gott bekennen. Ja, wir erleben es in unserer Mitte, wie Menschen, die vielleicht erst einmal nur zu uns gekommen waren, weil sie sich von uns eine Bescheinigung, eine Hilfe in ihrem Asylverfahren erhofften, von Christus zum lebendigen Glauben an ihn gebracht werden, dass Christus sie erfahren lässt, dass er der Heilige, der Wahrhaftige, der lebendige Herr ist. Advent – Zeit der offenen Türen, denn unser Herr kommt.

Gott kommt zu uns, er kommt als kleines Kind in der Krippe. Und doch geht es ihm nicht bloß darum, uns mal kurz hier auf Erden zu besuchen und danach wieder zu verschwinden. Sondern sein Kommen zu uns hat nur ein Ziel: Uns allen miteinander die wichtigste Tür unseres Lebens aufzuschließen, die Tür zum ewigen Leben. Kein Mensch kann diese Tür von sich aus aufschließen. Niemand kann sie öffnen mit seinen guten Werken, mit seinem anständigen Leben. Zugeschlagen haben wir uns alle miteinander diese Tür mit unserer Abwendung von Gott, damit, dass wir uns selbst statt Gott in den Mittelpunkt unseres Lebens gestellt haben. Kein Mensch auf dieser Welt kann diese Tür zum Himmel mehr öffnen; auch der beste Schlüsseldienst ist und bleibt da machtlos. Doch eben darum ist Jesus Christus zu uns gekommen, eben darum ist er für uns als kleines Kind in Bethlehem geboren, eben darum ist er für uns am Kreuz gestorben, damit sich diese Tür zum Himmel für uns wieder öffnet, damit am Ende unseres Lebens nicht der ewige Tod, sondern die ewige Freude steht, das ewige Zuhause in Gottes neuer Welt. Heute Morgen in der Beichte durftest du es wieder erfahren, wie Christus mit seinen Schlüsseln geklappert hat, wie er dir die Tür zum Himmel wieder neu aufgeschlossen hat, wie er dir wieder neu versprochen hat, dass er diese Tür für dich offenhalten wird und niemand sie je wieder wird verschließen können. Was für eine wunderbare Lebensperspektive haben wir als Christen: Wir brauchen nicht bloß auf die paar Jahre zu schauen, die wir hier auf Erden verbringen. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass wir die beste Zeit unseres Lebens im Asylbewerberheim verbringen und wir letztlich das Beste im Leben verpassen. Nein, wir gehen einer weit geöffneten Tür entgegen, und wenn wir einmal durch diese Tür hindurchgehen werden, dann werden wir in eine Stadt kommen, aus der wir nie mehr abgeschoben werden können, in der wir nicht bloß geduldet, sondern herzlich willkommen sind, in der wir ein ewiges Aufenthaltsrecht haben, ja eine Staatsbürgerschaft in Gottes neuer Welt, die uns niemand mehr wird rauben können. Ach, Schwestern und Brüder, kommt doch bloß nicht von diesem Weg zum Ziel ab, verliert dieses Ziel niemals vor Augen, weil ihr nur noch auf die Probleme schaut, die euch direkt vor Augen liegen! Haltet das Geschenk fest, das Christus euch in eurer Taufe gemacht hat, werft es ja niemals weg, weil ihr denkt, ihr könntet es nicht mehr gebrauchen, weil ihr irgendwann denkt, es sei für euer Leben nun nicht mehr wichtig! Die Türen zu Gottes neuer Welt stehen weit offen – vergesst doch dieses Ziel niemals.

Wenn Christus aufschließt, kann niemand mehr zuschließen! Was er hier der Gemeinde in Philadelphia ausrichten lässt, das erfahren wir hier in unserer Mitte noch einmal in ganz besonderer Weise: Da hat Christus uns noch einmal in anderer Weise Türen geöffnet, Türen, durch die Menschen zu uns hineinströmen, weil sie auch zu Christus gehören wollen, weil sie auch Gottes großes Geschenk des ewigen Lebens haben wollen. Und wir merken: Wenn Christus Türen aufschließt, dann können wir sie in der Tat nicht zuschließen, können uns nur darüber freuen, dass so viele Menschen die Botschaft von Gottes offenen Türen mit Freuden aufnehmen und glauben. Ja, dass Christus uns hier in der Gemeinde die Türen so weit aufgerissen hat, das bringt auch bei uns jede Menge Veränderungen mit sich, Veränderungen, die wir im Augenblick auch nur erahnen können. Wenn Christus hier den Christen in Philadelphia und auch uns schreibt: „Halte, was du hast!“ – dann meint er nicht, wir sollten bei uns in der Gemeinde alles so lassen, wie es immer schon war. Sondern er meint, dass wir ihn, Christus, dass wir seine Geschenke festhalten und nicht wegwerfen, dass wir bei ihm bleiben, ihm treu bleiben. Und dann können wir uns ganz fröhlich den Herausforderungen stellen, die auch in unserer Gemeinde vor uns liegen. „Du hast eine kleine Kraft“, schrieb Christus damals den Christen in Philadelphia. Wir mögen mitunter auch fragen, ob unsere Kräfte reichen für all das, was in der kommenden Zeit noch auf uns zukommen mag. Doch die Zukunft unserer Gemeinde hängt eben nicht an unserer Kraft, nicht an unseren Planungen. Sie hängt allein an dem, der Türen öffnet, damit Menschen durch sie hindurchgehen ins ewige Leben. Hören wir also nicht auf, Gottes offene Türen hier in unserer Mitte zu feiern, freuen wir uns über jeden, der mit uns durch diese Türen hindurchgeht! Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Amen.