09.03.2014 | St. Jakobus 1,12-18 | Invokavit
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Nicht schon wieder Kämpfe! Nicht schon wieder ein Kalter oder gar ein Heißer Krieg! – So mögen viele von uns gedacht haben, als sie in dieser vergangenen Woche die Bilder aus der Ukraine gesehen haben, ja, so mögen erst recht diejenigen aus unserer Gemeinde gedacht haben, die selber Verwandte und Freunde in der Ukraine haben. Kann das mit den Kämpfen, kann das mit dem Krieg denn nicht endlich ein Ende haben? – So fragen sich erst recht all diejenigen unter uns, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland Afghanistan hierher nach Deutschland geflohen sind. Ja, können wir denn nicht endlich mal in Frieden leben, in Frieden unseren Glauben praktizieren? – So fragen sich auch viele unter euch, die um ihres Glaubens will aus dem Iran nach Deutschland geflohen sind und nun erleben müssen, wie sie hier in Deutschland nun wieder neu von radikalen Muslimen bedroht werden, angegriffen werden, weil sie Christen sind.

Ja, das wäre in der Tat nur allzu schön, das wäre in der Tat ganz nach Gottes Willen, wenn Menschen in Frieden miteinander leben würden, nicht einander bekämpfen würden. Niemand kann sich auf Gott berufen, wenn er einen Menschen deswegen bedroht und bekämpft, weil der einen anderen Glauben hat. Niemand kann sich auf Gott berufen, wenn er glaubt, er müsse zur höheren Ehre der eigenen Nation Menschen von anderen Abstammung, Menschen aus einem anderen Land erschießen. Gott will nicht, dass Menschen einander töten, erst recht nicht, wenn sie behaupten, sie würden das in seinem Namen tun. Der Aufruf zur Tötung der Ungläubigen kommt eben nicht von Gott, sondern vom Teufel.

Und damit, Schwestern und Brüder, sind wir nun schon mitten drin in der Predigtlesung dieses ersten Sonntags in den Fasten. Da macht der heilige Jakobus auf der einen Seite sehr eindrücklich deutlich, dass wir das Böse, was wir in dieser Welt, was wir in unserem Leben erfahren, niemals Gott in die Schuhe schieben können. Von Gott kommt nichts Böses: kein Krieg, kein Nationalismus, keine Lüge. Aber zugleich ist Jakobus nicht naiv: Er verkündigt hier keine Friede-Freude-Eierkuchen-Botschaft: Habt euch alle lieb, seid nett zueinander, dann wird in dieser Welt alles gut. So einfach ist das eben nicht. Es ist eben nicht so, dass es in dieser Welt ein paar Bösewichte gibt, über die wir uns dann mit Recht fürchterlich aufregen können, und der Rest der Menschheit, zuallererst natürlich wir selber, gehört dann zu den Guten. Sondern in jedem Menschen – und das heißt: auch in mir und in dir – steckt das Böse ganz tief drin, die Bereitschaft, ja geradezu der Drang danach, zu denken, zu sagen, zu tun, was Gottes Willen nicht entspricht. Es ist nicht nur eine Frau Timoschenko, die sich ganz gerne Geld unter den Nagel reißt, das eigentlich anderen gehört. Das steckt genauso in uns drin, dass wir es mit Gottes Gebot nicht ganz so genau nehmen, wenn es denn nur unserem finanziellen Vorteil dient, wenn wir irgendwo an mehr Geld herankommen können. Es ist nicht nur ein Herr Putin, der seinen Ego-Trip ganz gerne auslebt. Das steckt in uns genauso drin, dass wir um uns selber, um unseren eigenen Vorteil kreisen und uns dabei vielleicht sogar noch selber etwas vormachen, was für gute Menschen wir doch eigentlich sind. Es sind nicht nur die Taliban, die das Gesetz der Vergeltung leben und praktizieren – das kennen wir aus unserem eigenen Leben, aus unserem eigenen Herzen auch nur allzu gut, wie leicht doch auch wir zur Rache geneigt sind, wie wenig doch auch wir oft genug mit dem Gebot unseres Herrn, die Feinde zu lieben, anfangen können. Ja, dieses Böse steckt ganz tief in uns drin, ganz gleich, ob wir Muslime oder Christen, ob wir getauft oder nicht getauft sind. Und weil dieses Böse in uns drinsteckt, wird sich diese Welt nicht allmählich in ein Paradies verwandeln. Nein, dieses Böse lässt sich eben nicht ausrotten, erst recht nicht mit irgendwelchen Umerziehungsmaßnahmen.

Sollen wir also einfach nur resignieren, uns damit abfinden, dass diese Welt nun mal böse ist – und wir selber auch? Nein, das brauchen wir nicht. Der heilige Jakobus erinnert die Empfänger seines Briefes, erinnert auch uns daran, dass wir doch getauft sind, neu geboren durch das Wort der Wahrheit, neu geschaffen als Menschen, die zugleich tatsächlich schon so sind, wie Gott sie haben möchte. Und das bedeutet nun in der Tat, dass es Ärger gibt, und zwar Ärger in uns selber drin, weil es da zwei ganz unterschiedliche Interessen gibt: Die Interessen dieses Bösen, das in uns drinsteckt, die Interessen des „alten Menschen“, wie Paulus, der Kollege des Jakobus, dies nennt, und die Interessen des neuen Menschen, der von Gott doch so gut geschaffen ist, wie er, Gott, selber ist.

Und das bedeutet in der Tat: Solange ihr lebt, solange ihr als getaufte Christen lebt, steht ihr in einem Kampf, der erst in eurer Todesstunde endet. Ja, hoffentlich steht ihr in diesem Kampf. Denn diese böse Stimme in uns, die „Begierde“, wie Jakobus sie hier nennt, die wird mit Sicherheit keine Ruhe geben, die wird sich immer durchzusetzen versuchen. Ruhe könnte es von daher nur dann in uns geben, wenn wir uns gegen diese Stimme nicht zur Wehr setzen, wenn wir einfach machen, was sie will, wenn wir uns dem Kampf gegen sie entziehen, weil es für uns doch so viel bequemer erscheint.

Ja, ich sage es euch noch einmal ganz offen und ehrlich: Wenn ihr Christen seid und bleiben wollt, dann bedeutet das für euch ein Leben lang Kampf, nein, nicht gegen andere Menschen, sondern gegen die Versuchungen, die in uns selber drinstecken und die der Teufel zudem immer wieder als Brückenkopf nutzt, um uns von Christus wegzuziehen. Christlicher Glaube ist kein Kuschelglaube; es geht in ihm um nicht weniger als um einen Kampf um Leben und Tod, so macht es uns St. Jakobus hier sehr eindrücklich deutlich.

Solange du lebst, wirst du im Kampf stehen mit der Stimme, die dir sagt: Nimm das mit deinem Glauben an Christus alles nicht so wichtig; du hast jetzt anderes in deinem Leben zu tun, das wichtiger ist! Solange du lebst, wirst du im Kampf stehen mit der Stimme, die dir sagt: Das geht doch gar nicht, dass du jeden Sonntag zur Kirche gehst. So viel Zeit hast du gar nicht; wenn du dich mal von Zeit zu Zeit bei Christus blicken lässt, reicht das doch auch! Solange du lebst, wirst du im Kampf stehen mit der Stimme, die dir sagt: Nimm das alles nicht ganz so ernst, was Gott dir in seinem Wort sagt. Der hat doch keine Ahnung davon, wie es dir jetzt in deinem Leben gerade geht. Sonst hätte er dir sicher in seinem Wort etwas anderes gesagt! Solange du lebst, wirst du im Kampf stehen mit der Stimme, die dir sagt: Was der oder die dir angetan haben, das darfst du niemals vergeben und vergessen! Das musst du denen immer nachtragen. Das war zu schlimm, als dass du darüber einfach hinweggehen kannst! Solange du lebst, wirst du im Kampf stehen mit der Stimme, die dir sagt: Gib dich nach außen doch nicht allzu deutlich als Christ zu erkennen – das wäre doch peinlich, wenn das die anderen mitbekommen! Das bringt dich doch nur in Schwierigkeiten! Ja, solange du lebst, wirst du im Kampf stehen mit der Stimme, die dir sagt: Weißt du denn, ob das wirklich alles stimmt, was du da glaubst? Vielleicht bildest du dir das doch nur alles ein. Lass es bleiben, an Christus zu glauben, genieße einfach die paar Jahre, die du hier auf der Erde hast! Versau dir doch nicht dein Leben, wenn du gar nicht genau weißt, ob das wirklich wahr ist, was du da glaubst!

Ja, das sind sie, die Kämpfe, in denen wir stehen. Und diese Kämpfe, die können eben ganz schön wehtun. Wenn der eigene Ehepartner dir sagt, dass er dich verlässt, wenn du Christ wirst oder Christ bleibst, dann schmerzt solch ein Kampf, und wie! Wenn die eigenen Eltern nicht mehr mit dir sprechen, weil du Christ bist, dann tut das weh, Christ zu sein, und wie! Wenn in deinem Leben alles ganz anders läuft, als du dir das erhofft und vorgestellt hast, und du dann trotzdem an Christus festhalten sollst, obwohl wir das gar nichts zu bringen scheint, dann kann das ganz schön schwer sein, kann das weh tun, und wie!

Doch eines darfst du eben wissen: Du bist in diesen Kämpfen niemals allein. Du bist doch seit deiner Taufe neu geboren, mit Christus verbunden. Da hat dir Gott versprochen, dich niemals fallen zu lassen – und Gott steht zu seinem Wort, der sagt nicht heute Ja und morgen Nein. Auf den kannst du dich verlassen, dass er seine Versprechen nicht zurücknimmt. Ja, auf Christus kannst du dich verlassen, dass er in dir lebt, mit dir und für dich kämpft. Und Christus ist stärker als alle Mächte des Bösen; er ist und bleibt der Sieger. Er will deinen Glauben stärken in all den Kämpfen, in denen du stehst, will dich selber zum Sieger machen, dir selber den Siegerkranz auf den Kopf legen, heute würden wir sagen: will dir selber die Goldmedaille am Ende des Kampfes umhängen – nicht weil du so gut und stark warst, sondern weil er den Kampf für dich gewinnt. Und er gewinnt ihn eben wieder neu dadurch, dass du hier an seinen Altar kommst und er dich beschenkt mit seiner Vergebung, dass er alle Niederlagen aus deinem Leben streicht und dich wieder von vorne anfangen lässt.

Nein, dass der Kampf aufhört, in dem du als Christ stehst, das verspreche ich dir nicht. Aber dass Christus dich in diesem Kampf stärkt und zum Sieg führt, das brauche ich dir nicht zu versprechen, das hat er dir selber versprochen. Vertraue darauf: Gott ist gut, Jesus ist gut; er hält, was er verspricht. Gott sei Dank! Amen.