26.12.2014 | St. Matthäus 10,16-22 | St. Stephanus
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Spätestens heute knallt es – so zeigen es die alljährlichen Erfahrungen zu Weihnachten. Spätestens am zweiten Weihnachtsfeiertag erweist sich der Burgfrieden, der in vielen Familien in unserem Lande zum Zwecke der Durchführung einer besinnlichen Weihnachtsfeier geschlossen wird, als brüchig. Die Kräfte, sich zusammenzureißen, schwinden, und da reichen oft kleine Anlässe, um zum Ausbruch zu bringen, was vielleicht schon das ganze Jahr über unter der Oberfläche geschwelt hatte. Und so wird es auch in diesem Jahr heute in vielen Familien ungemütlich zugehen, werden nicht wenige froh sein, wenn die Feiertage endlich vorüber sein werden.

Um Familienkrach geht es auch im Heiligen Evangelium des heutigen Tages des Erzmärtyrers St. Stephanus. Der Familienkrach, den Jesus hier seinen Jüngern ankündigt, fällt allerdings noch um einiges heftiger aus als die allermeisten Streitigkeiten unter dem Weihnachtsbaum: Jesus kündigt seinen Jüngern an, dass sie von dem eigenen Bruder, vom eigenen Vater oder von den eigenen Kindern angezeigt werden und dadurch mit ihrer Verhaftung, ja mit ihrer Tötung, mit der Todesstrafe rechnen müssen. Und warum das alles: Ganz einfach: „um meines Namens willen“ sagt Jesus. Das Bekenntnis zu ihm, Jesus, dem Sohn Gottes, reicht aus, um Menschen austicken zu lassen, dass ihnen selbst Familienbande nichts mehr gelten.

Schwestern und Brüder: Wie aktuell, ja wie beklemmend aktuell ist das, was Jesus hier im Heiligen Evangelium uns, seinen Jüngern ankündigt! Wie viele Geschichten aus unserer Gemeinde fallen mir zu dem ein, was Jesus hier sagt: Die Geschichte von dem Vater, der seinen Sohn eigenhändig töten wollte, als er erfuhr, dass der Christ geworden war, die Geschichte von dem Onkel, der die ganze Familie auslöschen wollte, als er mitbekam, dass seine Nichten an Gottesdiensten von Hausgemeinden teilnahmen, die Geschichte von dem fanatisch muslimischen Bruder, der beim Geheimdienst arbeitet und den eigenen Bruder verhaften lassen wollte. Und selbst wenn es nicht gleich um Mord und Totschlag geht: Wie viele Schwestern und Brüder aus unserer Gemeinde haben es schon erfahren und durchleiden müssen, dass die Eltern im Iran, in Afghanistan den Kontakt zu ihnen abgebrochen haben, als sie erfuhren, dass ihr Sohn, ihre Tochter Christ geworden ist, wie oft haben Geschwister aus unserer Gemeinde schon diesen Satz hören müssen: „Du bist nicht mehr mein Sohn“, „Du bist nicht mehr meine Tochter“! Und natürlich erwarten die Gerichte hier in Deutschland auch ganz selbstverständlich, dass Menschen, die früher Muslime waren und nun Christen geworden sind, diesen Bruch mit der Familie auch ganz offen in Kauf nehmen: Sollte jemand, um den Familienfrieden zu wahren, den Eltern die eigene Taufe verschweigen, so hat er natürlich keine Chance, hier in unserem Land als asylberechtigt anerkannt zu werden. So viel Leidensbereitschaft wird man von einem Christen ja wohl erwarten können ... Und so halten es unsere Geschwister ja auch in der Praxis – und erfahren, wie ihnen nach dem Verlust der leiblichen Familie hier in der Gemeinde eine andere Familie geschenkt wird, mit vielen neuen Schwestern und Brüdern.

Aber, so mögt ihr jetzt an dieser Stelle vielleicht am liebsten dazwischenrufen: Wir haben doch heute nun Weihnachten. Kann es denn heute nicht mal ein bisschen besinnlicher in der Kirche zu gehen, können wir das ganze Elend der Christenverfolgung denn nicht wenigstens heute mal beiseitelassen? „Fröhliche Weihnachten“ wünschen wir uns doch gegenseitig in diesen Tagen, nicht unbedingt „blutige Weihnachten“.

Doch nun feiert die Kirche heute am 26. Dezember nun einmal den Tag des ersten Märtyrers der Kirche, des heiligen Stephanus, dessen Martyrium uns eben in der Epistel des heutigen Festtags geschildert wurde. Und es ist eben kein Zufall, dass die Kirche diesen Tag so dicht an das Weihnachtsfest gelegt hat. Sie bringt damit zum Ausdruck, dass es zu Weihnachten in der Tat nicht um ein harmloses Familienfest, nicht um ein Fest des oberflächlichen Friedens geht, nicht bloß um strahlende Kinderaugen und leise rieselnden Schnee. Der Sohn Gottes, der in die Welt kommt, um für die Sünden dieser Welt am Kreuz zu sterben, kommt bei den Menschen nicht sonderlich gut an, noch nicht einmal zu Weihnachten. Zwar wurde auch in diesem Jahr bei so mancher betrieblichen Weihnachtsfeier gesungen: „Christ ist erschienen, uns zu versühnen!“ – Aber weh dem, der das auch noch ernst nimmt, was er da singt! Das kann man doch heute nicht mehr so sagen! Ein bisschen friedliche Religiosität ist ja noch ganz akzeptabel; aber zu behaupten, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist und man darum Gott auch nur in diesem Menschen Jesus finden kann – das geht doch heutzutage gar nicht mehr!

In den letzten Tagen hat der angebliche Vorschlag eines Grünen-Politikers, die Christen sollten doch am Heiligen Abend in ihren Christvespern auch ein islamisches Lied singen als Zeichen der Verständigung der Religionen, für ziemlichen Wirbel gesorgt. Der betreffende Politiker hat zwar umgehend dementiert, dass er so etwas geäußert hat, und davon berichtet, dass eine Reporterin der BILD-Zeitung bei ihm angerufen habe und ihn gefragt habe, ob er sich diesen Vorschlag nicht zu eigen machen wolle; das gäbe doch eine gute Nachricht. Doch er habe daraufhin geantwortet, das sei ja wohl nur denkbar, wenn dann in den Moscheen unseres Landes auch christliche Weihnachtslieder gesungen würden. Daraus wurde dann diese Zeitungsente kreiert, die schon allein deshalb schwachsinnig ist, weil jeder, der sich etwas näher mit dem Islam auskennt, weiß, dass in islamischen Gebetsversammlungen eben nicht wie in christlichen Gottesdiensten Choräle von der Gemeinde gesungen werden.

Doch das eine ist natürlich klar: Nie und nimmer könnte in einer Moschee gesungen werden: „Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß“ oder „Es ist der Herr Christ, unser Gott, der will euch führn aus aller Not.“ Wer so etwas behauptet, landet nach islamischem Glauben in der Hölle, so einfach ist das. Da muss man Weihnachten schon auf das Niveau von „O Tannenbaum“ herunterfahren, um irgendwie zu einer religiösen Verständigung kommen zu können.

Jesus sieht die Dinge viel nüchterner: Er kündigt nicht an, dass diejenigen, die an ihn glauben, von ihrer Umgebung in Frieden gelassen werden und sich mit ihrer Umgebung auf ein gemeinsames Ringelpiez mit Anfassen einigen können. Stattdessen erklärt er hier: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ – und dabei empfiehlt er seinen Jüngern nicht, nun selber auch das Wolfsgeheul zu lernen, um nicht mehr als Schafe erkennbar zu sein. Christen haben nicht dieselben Waffen wie diejenigen, die sie bekämpfen. Sie können ihren Glauben nicht mit dem Schwert verbreiten, sollen im Gegenteil um ihres Herrn willen zum Leiden bereit sein. Ja, gerade so hat sich der christliche Glaube im Verlaufe der Jahrhunderte immer wieder verbreitet: durch das Blut der Märtyrer und nicht unbedingt durch das Wort zum Sonntag.

Ganz nüchtern sollen entsprechend auch wir Christen sein, wie Christus selber: Wir sollen nicht dumm und naiv sein, sollen schon klar erkennen und analysieren, was in dieser Welt läuft, sollen nicht überrascht sein, wenn uns der Wind ins Gesicht bläst, ja, zunehmend auch hier in Deutschland. „Hütet euch vor den Menschen“, so deutlich formuliert es Christus hier. Verlasst euch nicht darauf, dass der Staat oder die Politik die Kirche schützt, verlasst euch nicht auf die angebliche schweigende Mehrheit der Anständigen, die es doch eigentlich gut mit dem christlichen Glauben meint und darum gegen die Islamisierung des Abendlandes ankämpft. Fragt mal die Leute, die dagegen protestieren, was die selber eigentlich noch vom christlichen Glauben wissen! Der einzige Beistand, auf den wir uns als Christen wirklich verlassen können, ist der Heilige Geist. Der hilft uns, wenn wir uns vor Gericht für unseren christlichen Glauben zu verantworten haben, so können es so viele hier in unserer Mitte bezeugen, der schenkt und erhält uns den Glauben an Christus, ja, der allein gewährleistet den Bestand der Kirche, niemand sonst.

Schwestern und Brüder, seien wir dankbar, dass wir hier in Deutschland, hier in Berlin, unser Weihnachtsfest in Frieden und Freiheit feiern können, dass wir nicht in gleicher Weise Terroranschläge auf unsere Kirchen befürchten müssen wie etwa die Christen in Nigeria, in Syrien oder im Irak, dass wir keine Angst haben müssen, bei unseren Weihnachtsgottesdiensten entdeckt zu werden wie unsere Geschwister im Iran! Nutzen wir diese Freiheit, und seien wir dankbar dafür! „Wer ans Ende beharrt, der wird selig werden“, sagt Christus hier zum Schluss des Evangeliums. Wie viel leichter haben wir es als andere Christen, unseren Glauben in Freiheit zu leben – und wie viel leichter lassen wir uns doch zugleich immer wieder davon abbringen, so bei Christus zu bleiben, wie er dies von uns erwartet!

Vor einigen Tagen wurde ein Brief des iranischen Pastors Behnam Irani bekannt, den er aus dem Gefängnis geschrieben hat. Darin schreibt er: „Viele meiner Zellennachbarn fragen mich, warum ich einen solch hohen Preis für meinen Glauben an Jesus zahle. Sie fragen mich, warum ich nicht einfach meinen Glauben verleugne und zu meiner Frau und meinen Kindern zurückkehre.

Das führt mich immer wieder zu der Frage, welchen Preis der Herr bezahlt hat, um mich zu retten: Jesus hat mit seinem Tod am Kreuz - mit seinem Leben - den höchsten Preis bezahlt. Darum ertrage ich das Gefängnis, statt einer billigen Freiheit. Jesus hat gesagt: Wer sein Leben mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.  Diese Worte stammen von eurem Bruder Behnam, der unter massivem Druck steht und nun schon seit vielen Jahren im Gefängnis sitzt. Ich ermutige euch, den Wert eures Glaubens zu begreifen. Unsere Errettung hat uns nichts gekostet, aber vergesst nie, unsere Rettung hatte ihren Preis. Gott hat ihn bezahlt. Er gab seinen geliebten Sohn Jesus Christus. Dieser Jesus sagt: ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.‘“  Jawohl, darum geht es zu Weihnachten – um ihn, Christus, der Mensch geworden ist, um für uns zu sterben, damit wir selig werden. Bleibt darum nur bei ihm, denn wer ans Ende beharrt, der wird selig werden. Amen.