11.01.2015 | St. Matthäus 3,13-17 | Fest der Taufe Christi
Pfr. Dr. Gottfried Martens

In den vergangenen Monaten haben wir uns hier in unserem Missionsprojekt auch darüber Gedanken gemacht, ob man möglicherweise im Rahmen der Sanierung unseres Gebäudes auch hier in unserem Kirchraum etwas verändern könnte, um den immer weiter anwachsenden Gottesdienstteilnehmer- und Kommunikantenzahlen gerecht werden zu können. Wir haben festgestellt, dass sich theoretisch tatsächlich manches verändern und verschieben lässt. Das gilt sogar für den Altar. Doch an einer Stelle stoßen wir an eine Grenze: Da lässt sich nichts verrücken und verschieben – und zwar beim Taufstein. Der Taufstein ist so auf tragenden Wänden gebaut, dass er dort stehen bleiben muss, wo er jetzt steht. Die Taufe lässt sich nicht verschieben oder wegrücken.

Was für eine schöne Botschaft haben uns damit die Erbauer unserer Dreieinigkeitskirche in der jetzigen Form hinterlassen: Die Taufe lässt sich nicht verschieben. Was hier an diesem Taufstein geschieht, steht fest, unverrückbar. Man kann ja in ganz verschiedener Weise versuchen, die Taufe zu verschieben. Das geht los mit dem leisen oder lauten Stöhnen über die vielen Taufen in unseren Gottesdiensten: Schon wieder Taufen! Kann man die denn nicht irgendwann auf den Nachmittag verschieben, dass wir von diesen Taufen nichts mitbekommen? Nein, Taufen sind keine Privatangelegenheiten, erst recht keine Familienfeiern, sondern das geht die ganze Gemeinde an, wenn Schwestern und Brüder durch die Heilige Taufe vom ewigen Tod gerettet und zum ewigen Leben wiedergeboren werden. Das geht die ganze Gemeinde an, wenn Schwestern und Brüder sich bei ihrer Taufe öffentlich vom Islam lossagen und damit von nun ab in ihrer Heimat mit der Todesstrafe bedroht werden. Das kann man nicht in eine Ecke schieben. Man kann die Taufe aber auch in anderer Weise zu verschieben versuchen: Dass man ihr nämlich im eigenen Leben nur noch eine Randexistenz einräumt, dass man sein alltägliches Leben so führt, als sei man gar nicht getauft, als sei man gar nicht ein neuer Mensch. Ja, das kann man in der Tat machen – aber es ändert nichts daran, dass das Geschehen der Taufe gültig bleibt, dass man gegen die Realität des eigenen Lebens anlebt, wenn man von dem nichts mehr wissen will, was in der eigenen Taufe geschehen ist. Aber man kann natürlich auch mit Gewalt versuchen, Menschen wieder von ihrer Taufe oder ihrem Taufbegehren abzubringen. Gleich zweimal haben wir es in den vergangenen Wochen erlebt, dass Brüder aus unserer Gemeinde von gewalttätigen Muslimen angegriffen und zusammengeschlagen wurden, als diese das Taufkreuz um den Hals entdeckten oder von dem Taufbegehren eines Bruders hörten. Doch selbst in dieser brutalen Form des Versuchs, die Taufe zu verdrängen und zu bekämpfen, wird noch etwas deutlich von der Macht und Kraft, die die Taufe hat, dass Menschen meinen, mit allen Mitteln gegen das, was hier an diesem Taufstein geschieht, vorgehen zu müssen.

Um eine Taufe geht es auch im Heiligen Evangelium des heutigen Festtags, nein, nicht um irgendeine Taufe, sondern um die Taufe unseres Herrn Jesus Christus durch Johannes den Täufer. Gewiss, was damals im Jordan geschah, ist und bleibt einmalig, weil der einmalig ist und bleibt, der damals zu Johannes dem Täufer kam. Und doch wird uns die Taufe unseres Herrn durch Johannes hier nicht bloß als interessantes historisches Geschehen der Vergangenheit geschildert, sondern diese Schilderung soll uns helfen, wieder neu wahrzunehmen, was uns in unserer Heiligen Taufe geschenkt worden ist:

-    die Vergebung der Sünde
-    die Kindschaft bei Gott

I.
Schwestern und Brüder: Ich weiß, der Satz, dass uns in der Taufe die Vergebung der Sünden geschenkt wird, mag bei vielen von uns höchstens noch ein müdes Gähnen hervorrufen: Das wissen wir doch längst, das haben wir doch schon im Tauf- und Konfirmandenunterricht gelernt, das ist doch klar.

Wie bitte, Schwestern und Brüder: Das ist doch klar, dass uns in der Taufe die Sünden vergeben werden? Fragt mal unsere früher muslimischen Geschwister, ob das so klar und logisch ist, dass uns die Sünden vergeben werden, dass man das an einem Geschehen hier auf Erden festmachen kann, dass einem die Sünden vergeben werden! Nichts davon kennt der Islam; er kennt keine Sakramente, und er kennt auch keine Mitteilung der Vergebung der Sünden.

Warum werden uns also in der Taufe die Sünden vergeben? Das hängt tatsächlich unmittelbar mit dem zusammen, was uns hier im Heiligen Evangelium geschildert wird: Da stellt sich Jesus in einer Schlange an, in einer Schlange von Leuten, die alle miteinander bekennen, dass sie gesündigt haben und den Zorn Gottes verdient haben, in einer Schlange von Leuten, die zu Johannes kommen, um mit ihrer Taufe zu zeigen, dass sie nun umkehren wollen, bereit sein wollen für das Kommen Gottes. Und in diese Schlange der Sünder, in diese Schlange der Menschen, die Gottes Zorn verdient haben, stellt sich nun auch Jesus an. Unglaublich – kein Wunder, dass Johannes stammelnd erklärt, dass er und Jesus ja wohl nun tauschen müssten, dass Jesus ihn taufen müsste und nicht er, Johannes, ihn, Jesus. Johannes hat eigentlich völlig Recht. Doch genau das ist nun das Wunder, durch das unsere Taufe ihre Kraft erhält, dass Jesus sich nicht fernhält von den Sündern, dass er nicht einen großen Abstand um die Sünde macht, sondern sich mit der Sünde der ganzen Welt gleichsam verseuchen lässt, dass er daran schließlich auf grausame Weise stirbt. Jesus kommt, um alle Gerechtigkeit zu erfüllen, so heißt es hier. Er kommt nicht als Gesetzeslehrer, der uns erklärt, was wir tun müssen, um uns von unserer Sünde zu befreien. Er kommt nicht, um das Gesetz des Alten Testaments als verbindlich für uns aufzurichten. Sondern er kommt, um es zu erfüllen, um selber alles zu tun, was das Gesetz verlangt – und so als Unschuldiger nicht für die eigene Sünde, sondern für die Schuld der ganzen Welt sterben zu können.

Ja, deine Sünde ist dir in der Taufe vergeben worden, weil Jesus damals in die Sündenbrühe am Jordan eingetaucht ist, weil er damit auch deine Sünde und Schuld auf sich genommen und ihre tödliche Wirkung am Kreuz für dich erlitten hat. Nein, es ist nicht logisch, es ist nicht selbstverständlich, dass die ganze Schuld und Sünde deines Lebens, dass der ganze Fluch deiner Trennung von Gott, mit dem du schon geboren worden bist, am Tage deiner Taufe dort im Wasser des Taufsteins geschwommen ist, ganz und gar abgewaschen von dir. Dafür musste Jesus seinen Weg gehen, angefangen mit seiner Taufe im Jordan.

II.
Als Jesus damals aus dem Jordan stieg, machte Gott der Vater selbst deutlich, wer der ist, der sich da gerade in die Reihe der Sünder angestellt hatte: Er lässt den Geist Gottes auf ihn herabfahren und erklärt: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Was Gott hier bei der Taufe Jesu erklärt, ist nichts Neues, das galt schon in alle Ewigkeit, dass Gott der Vater an seinem einzigen Sohn Wohlgefallen hat, dass der Sohn mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes verbunden ist.

Auch in deiner Taufe hat Gott zu dir gesagt: Du bist mein geliebtes Kind, an dir freue ich mich, an dir habe ich Wohlgefallen. Doch bei dir ist das keine Wahrheit, die immer schon, in alle Ewigkeit galt. Dass Gott unser Vater ist und wir seine Kinder, ist keine allgemeine Aussage über die Menschheit. Es geht in der Taufe nicht um eine Illustrierung von Schillers Ode an die Freude: „Brüder, überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen.“

Sondern da ist deiner Taufe etwas Unfassliches geschehen: Gott hat dich in deiner Taufe so eng mit Christus verbunden, dass er auf ihn, Christus, blickt, wenn er auf dich sieht, dass er von daher mit Fug und Recht sagt: Jawohl, du bist es, mein geliebtes Kind, an dir freue ich mich, an dir habe ich nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Ja, Gottes geliebtes Kind bist du, weil du mit dem geliebten Sohn des Vaters eins geworden bist, weil du von daher teilhast an allem, was Gott zu seinem Sohn Jesus Christus gesagt hat und sagt. Um Christi willen ist auch dir der Heilige Geist geschenkt, der Geist, der dich mit Gott verbindet, der dir immer wieder hilft, dich zu deinem Herrn und Heiland Jesus Christus zu bekennen.

Freue dich von daher von Herzen über diese Stimme, die damals über Jesus am Jordan erklungen ist, die Stimme, die Jesus als Gottes geliebten Sohn zu erkennen gibt. Es ist Gottes Zusage auch an dich. Und an diese Zusage darfst du dich halten, wenn es in deinem Leben so viel gibt, was dich wieder von Christus, von deiner Taufe wegziehen will, wenn Zweifel, wenn auch neue Schuld und neues Versagen dich von dem wegzutreiben drohen, was in deiner Taufe doch geschehen ist. Es bleibt dabei: Du bist Gottes Kind, von ihm geliebt, weil Christus in dir bleibt und du in ihm. Das steht fest – noch tausendmal fester als unser Taufstein. Amen.