21.01.2015 | St. Johannes 2,1-11 | Mittwoch nach dem zweiten Sonntag nach Epiphanias
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Es darf gelacht werden. Während uns in diesen Tagen und Wochen finstere Gestalten an den verschiedensten Orten dieser Welt klarzumachen versuchen, dass man bei Gott nichts zu lachen hat, dass Religion eine todernste Angelegenheit ist, erst recht für diejenigen, die sich ihr nicht unterwerfen, ja, dass es eine unverzeihliche Sünde ist, überhaupt Alkohol zu trinken, berichtet uns St. Johannes im Heiligen Evangelium dieser Woche, wie Jesus, jawohl, Jesus, der Sohn Gottes, so lange auf einer Hochzeitsparty durchfeiert, bis den Gastgebern schließlich der Wein ausgeht. Ja, damit nicht genug, St. Johannes berichtet uns davon, wie Jesus seine göttliche Macht und Herrlichkeit bei seinem ersten Wunder, das von ihm berichtet wird, ausgerechnet dafür einsetzt, eine fröhlich pichelnde Hochzeitsgesellschaft mit einigen hundert Litern weiterem besten Wein zu versorgen. Undenkbar, dass man solch eine Geschichte im Koran lesen könnte, ja, sie geht selbst manchem frommem Christen ein wenig zu weit. Der Theologieprofessor Emanuel Hirsch berichtet davon, wie eines seiner schwäbisch-pietistischen Gemeindeglieder zur Erzählung von der Hochzeit zu Kana bemerkt habe: „Dös wr nit das beschte Stückle vom Herrn.“ – Auf Deutsch: Das war nicht gerade eine Glanzleistung von unserem Heiland – ausgerechnet Wein im Überfluss zu spendieren. Hätte er stattdessen nicht lieber einige fromme Traktate zum Thema „enthaltsam leben“ verteilen können?

Ja, es darf gelacht werden. Da findet in einem Dorf einige Kilometer von Nazareth entfernt eine Hochzeit statt. Und Hochzeiten müssen gebührend gefeiert werden. Die Ehe ist solch ein wunderbares Geschenk von Gott, dass eine größere Feier aus diesem Anlass mehr als angemessen ist. Das findet jedenfalls Jesus selber auch und kommt zur Feier. Und zu einer fröhlichen Feier gehörte damals natürlich auch genügend Wein. Der wurde bei dieser Hochzeit in Kana von den Gästen auch offenkundig nicht verschmäht – im Gegenteil: Man pichelte so kräftig, dass die Planungen des Gastgebers, des Bräutigams, sich als völlig unzureichend herausstellten. Eine Hochzeit ohne Wein – das wäre so ähnlich wie heutzutage ein Stromausfall mitten während der Hochzeitsfeier. Wenn der sich nicht schnell beheben lässt, ist die Party bald zu Ende. Noch haben es die meisten Gäste vielleicht gar nicht gemerkt, dass da ein Nachschubproblem droht, aber Maria, die Mutter des Herrn, hat es bereits mitbekommen. Und sie kennt auch schon die Lösung: Sie hat ja ihren Sohn mit, und der wird ja mit den ihm eigenen Mitteln weiterhelfen können. „Sie haben keinen Wein mehr“, sagt sie nur zu ihm, scheinbar nur eine Feststellung, aber in Wirklichkeit doch eine ziemlich unverblümte Aufforderung, so versteht es Jesus auch selber – und erteilt seiner Mutter eine wenig freundliche Abfuhr: „Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?“ Jesus lässt sich nicht einfach zur Erfüllung unserer Wünsche instrumentalisieren, selbst wenn dieser Wunsch von der eigenen Mutter geäußert wird.

Bewegend ist, wie Maria darauf reagiert. Sie ist nicht eingeschnappt, sondern sie wendet sich stattdessen an die Diener, sagt ihnen einen Satz, der ihr tiefes Vertrauen in ihren Sohn zum Ausdruck bringt, einen Satz, der für den ganzen weiteren Verlauf der Geschichte von entscheidender Bedeutung ist: „Was er euch sagt, das tut.“

Und Jesus sagt den Dienern tatsächlich etwas, geht tatsächlich auf die Not ein, auf die Maria zuvor hingewiesen hatte. Allerdings sagt er den Dienern einen scheinbar ziemlich unsinnigen Satz: „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser!“ Die Wasserkrüge, die da im Hauseingang standen, waren eigentlich dazu bestimmt, dass die Leute sich bei ihrem Eintreffen im Haus die Füße waschen konnten. Doch jetzt waren die Leute ja längst alle da – wozu sollten da die Wasserkrüge nun noch einmal neu gefüllt werden? Doch die Diener halten sich an das Wort Jesu, füllen die großen Wasserkrüge mit einem Inhalt von mehreren hundert Litern mit Wasser. Und dann kommt schon der nächste scheinbar völlig unsinnige Satz Jesu: „Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister.“ Ja, es darf gelacht werden: Da gehen die Diener nun mit der Schöpfkelle zu den Riesen-Reinigungskrügen zum Füßewaschen – und bald stellt sich heraus: Was da drin ist, eignet sich weniger zum Füßewaschen als vielmehr zum Trinken: Wein von allerbester Qualität, in Riesenmengen. Der Speisemeister, dem man nur die Schöpfkelle unter die Nase hält, ist verdutzt: Wo kommt dieser edle Tropfen denn zu dieser Stunde noch her? Das ist taktisch doch unklug! Jetzt, wo die Leute allmählich alle schon ein wenig beduselt sind, hätte es Pennerglück von ALDI doch auch getan! Doch wenn Jesus etwas macht, dann macht er es auch ganz richtig, dann versorgt er die, um die er sich kümmert, nicht bloß mit einem Trostpflaster, sondern mit dem Allerbesten, was er hat.

Wir wissen nicht, wie viele Leute das während der Hochzeit überhaupt mitbekommen haben, wie Jesus hier ganz unauffällig den Bräutigam aus einer hochnotpeinlichen Situation gerettet hat, wie reich er die ganze Hochzeitsgesellschaft beschenkt hat. Seine Jünger haben es offenbar mitbekommen, haben sich durch das, was sie dort erlebten, im Glauben stärken lassen: Ja, Jesus kann Glauben auch mit reichlich Wein stärken.

Was hat diese Geschichte nun mit uns zu tun? Man könnte nun eine Predigt darüber halten, dass wir auch heute gut daran tun, die Ehe von Mann und Frau als Gottes gute Gabe kräftig zu feiern und zu loben, und dass wir uns darin bestärkt wissen dürfen durch den Hochzeitsfeierer Jesus selber.

Doch wir wollen diese Geschichte noch einmal unter einem anderen Aspekt wahrnehmen. Wir sind ja hier in unserer Gemeinde letztlich in genau derselben Situation wie der Bräutigam damals in der Geschichte von der Hochzeit zu Kana. Was wir hier machen, ist letztlich auch ein großes Fest, das wir gemeinsam mit Jesus feiern. Und dieses Fest dauert nun schon etwas länger als die Hochzeit in Kana. Und da können wir uns so gut in die Lage des Bräutigams hineinversetzen: Wie sollen wir denn bloß diese Mengen weiter bewältigen, die darauf warten, dass wir sie mit so vielem versorgen, gar nicht unbedingt mit Wein, aber mit vielem anderen, was sie so nötig brauchen? Das schaffen wir doch gar nicht, das ganze Unternehmen wächst uns doch über den Kopf!

Wir könnten natürlich die Hochzeit abblasen, beenden, die Leute wegschicken, anderswo hinschicken. Doch wir machen etwas Anderes: Wir orientieren uns immer wieder neu am Wort Marias: „Was er euch sagt, das tut!“ Genau das machen wir, auch wenn es völlig verrückt aussieht, auch wenn wir eigentlich nicht mehr als Wasser haben, das wir in irgendwelche eigentlich ungeeigneten Behälter kippen.

„Was er euch sagt, das tut!“ Und Jesus hat uns nun einmal gesagt: Macht zu Jüngern alle Völker, tauft sie, lehrt sie! Und wenn Jesus das sagt, dann tun wir das eben immer weiter, fragen nicht danach, ob das vernünftig ist, ob wir uns damit nicht in immer größere Schwierigkeiten bringen. Und dann dürfen wir auch heute hier in Steglitz genau das Gleiche erleben, was damals auch die Jünger in Kana erlebt haben: Dass Jesus da ist, dass er ganz verborgen Wunder wirkt, die die meisten vielleicht gar nicht als Wunder wahrnehmen werden: Dass er immer wieder Herzen von Menschen verwandelt, dass er uns zur rechten Zeit immer wieder die Menschen schickt, die wir als Mitarbeiter brauchen, dass er uns immer wieder zur rechten Zeit die Mittel schickt, um unsere Feier hier in Steglitz fortsetzen zu können – und dass er uns in all dem sogar immer wieder reichlicher versorgt, als wir dies eigentlich auch nur erhoffen können.

„Was er euch sagt, das tut!“ Genau das machen wir nun auch gleich wieder in diesem Gottesdienst, nehmen Brot und Wein, segnen sie mit den Worten des Herrn – und werden auch heute Abend wieder neu Zeugen eines unfasslichen Wunders: dass aus diesem Brot und Wein der Leib und das Blut des Herrn werden, Speise des ewigen Lebens, ein Heilmittel, das uns gesund und heil macht in alle Ewigkeit. Heute Abend erfahren wir wieder neu, dass er, der Herr, in unserer Mitte ist, unseren Glauben stärkt, seine Kirche baut und erhält. Das reicht, das ist genug, um uns weiterfeiern zu lassen, heute, morgen – und jeden Tag, bis der Herr auch sichtbar wiederkommen wird. Bis dahin haben wir keinen Grund, die Feier abzublasen. Er ist doch da, der Herr, und feiert mit. Und darum haben wir als Christen trotz all dessen, was uns bedrücken mag, doch immer wieder allen Grund zum Lachen. Amen.