04.03.2015 | Christenverfolgung nach dem 1. Petrusbrief | Mittwoch nach Reminiszere
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Es waren beklemmende Bilder, die uns da vor einigen Wochen vor Augen gestellt wurden: 21 Mitglieder der Terrororganisation „Islamischer Staat“ führten 21 Christen an den Strand des Mittelmeeres und schnitten ihnen den Kopf ab – einzig und allein deswegen, weil sie Christen waren und zu ihrem christlichen Glauben standen bis zum letzten Atemzug.

Doch was auf diesem entsetzlichen Video zu sehen war, war ja nur ein ganz kleiner Ausschnitt dessen, was Christen in so vielen Ländern dieser Welt gerade in den letzten Jahren und Monaten angetan wird. Während es lange Zeit politisch nicht korrekt erschien, darauf hinzuweisen, was Christen durch andere Ideologien, sei es durch den Kommunismus, sei es durch den Islam, zu erleiden hatten und haben, haben die Verfolgungen der Christen mittlerweile ein solches Ausmaß erreicht, dass es schwerfällt, diese noch zu ignorieren. Gewiss, wenn man sich in der Öffentlichkeit dazu äußert, darf natürlich aus Gründen der Ausgewogenheit der Hinweis auf die Kreuzzüge nicht fehlen – wobei die wenigsten offenbar über die damalige Geschichte genauer informiert sind. Aber dass da Entsetzliches mit den Christen geschieht, darüber wird mittlerweile nicht mehr nur innerhalb der Kirchen gesprochen.

Was haben wir nun als Christen zu diesem Thema zu sagen? Natürlich bewegt es uns besonders, denn wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit. Es kann uns nicht gleichgültig lassen, wenn unsere Schwestern und Brüder in anderen Ländern dieser Welt Entsetzliches durchmachen müssen, um ihres Glaubens willen so Furchtbares leiden müssen. Und so gehört die Fürbitte für die verfolgten Christen ja auch zum festen Bestandteil unserer Kirchengebete, ja, natürlich auch heute wieder. Und doch wollen wir uns nicht damit begnügen, so gut wir können, auf das Leid unserer Geschwister aufmerksam zu machen, es zu beklagen und für sie zu beten. Wir wollen vielmehr diese Nachrichten von der Verfolgung von Christen zum Anlass nehmen, das Thema der Christenverfolgung im Licht der Heiligen Schrift näher zu betrachten. Und dabei werden wir feststellen: Das ist ein Thema, bei dem wir nicht nur Zuschauer sind, sondern das uns selber ganz direkt betrifft. Und damit meine ich nicht nur, aber natürlich auch, dass viele Glieder unserer Gemeinde vor der massiven Christenverfolgung in ihrem Heimatland fliehen mussten. Es geht bei diesem Thema auch um uns selber, um unseren Glauben, um unser Leben als Christen, ja, auch darum, ob und wie wir darauf vorbereitet sind, wenn uns Christen in der Zukunft vielleicht auch in unserem Land der Wind stärker ins Gesicht wehen wird, als dies im Augenblick der Fall ist. Anzeichen dafür, dass es auch in unserem Land immer schwieriger wird, sich öffentlich als Christ erkennen zu geben, gibt es ja in der Tat nicht wenige.

Anfangen wollen wir heute mit einem Blick auf den 1. Petrusbrief. Hier erleben wir mit, wie das für Christen noch ein relativ neues Phänomen ist, dass sie um ihres Christseins willen bedrängt und schikaniert werden, ja, um ihr Leben fürchten müssen.

Schon von Anfang an fielen Christen natürlich in ihrer Umgebung auf, weil sie nicht bei allem mitmachten, was „man“ doch so machte. Politik und Religion waren auch damals in der Gesellschaft schon eng miteinander verbunden, und so machte man sich eben auch politisch verdächtig, wenn man sich etwa dem Konsens verweigerte, dass man sich nicht kritisch über andere Religionen äußern dürfe, oder wenn man das, was doch damals alle taten, schlichtweg als „Sünde“ bezeichnete und anders lebte. Die Situation spitzte sich dann aber in Rom in den 60er Jahren unter dem Kaiser Nero zu. Hier gab es zum ersten Mal ganz gezielte Angriffe und Verfolgungsmaßnahmen gegen Christen, die auch nach dem Tode Neros ein Klima schufen, in dem Christen als verdächtig galten. Und das hatte Folgen: Christen wurden verdächtigt, weil sie sich im Gottesdienst mit dem Friedenskuss grüßten und davon sprachen, dass sie im Gottesdienst den Leib und das Blut Christi empfingen. Fanden da also bei den Christen geheime Orgien statt, bei denen Menschenblut getrunken wurde? Gewiss gab es darüber hinaus auch viele andere Gerüchte, die über die Christen verbreitet wurden – und die hatten Folgen: Die Christen wurden gesellschaftlich isoliert; wer etwa einen Laden besaß, bei dem kauften die Leute nicht mehr ein. Und wenn dann ein Nachbar einen Christen anzeigte, dann waren die Behörden gerne bereit, dieser Anzeige zu glauben und den Christen vor ein Gericht stellen zu lassen. Und dort vor Gericht galt schon allein die Tatsache, dass jemand Christ war, als Grund, um ihn zu verurteilen – ja, mitunter offenbar auch schon in dieser frühen Zeit bis hin zur Todesstrafe.

Und in diese Situation, die eben nicht bloß in Rom anzutreffen war, sondern die auch die Christen bereits in Kleinasien erfuhren, spricht nun der 1. Petrusbrief hinein. Dreierlei macht er den Christen, an die er gerichtet ist, hier deutlich:

Zunächst einmal macht er deutlich: Wenn ihr als Christen leidet, dann leidet ihr mit Christus. Ihr seid doch in der Taufe in die Gemeinschaft mit eurem Herrn Jesus Christus aufgenommen worden, und das hat Konsequenzen. Es bedeutet eben nicht bloß, dass ihr gewiss sein dürft, Christus immer bei euch zu haben. Sondern es bedeutet eben auch, dass euch dieselbe Ablehnung trifft, die auch Christus in dieser Welt immer wieder trifft, dass der Weg in seiner Nachfolge immer auch ein Weg des Leidens ist. Der christliche Glaube ist eben nicht bloß ein nettes, kuscheliges Wellness-Angebot, sondern er ruft Menschen immer wieder heraus aus dem breiten Strom in die manchmal auch sehr einsame Nachfolge Christi. Und doch macht der 1. Petrusbrief zugleich auch sehr deutlich, dass Christen sich mit ihrem Leiden in der Gemeinschaft mit Christus nicht etwa erst den Himmel verdienen müssen. Christen glauben nicht, dass sie darum in den Himmel kommen, weil sie so viel leiden, etwa wie ein muslimischer Selbstmordattentäter glaubt, er würde dadurch ins Paradies kommen, dass er sich und andere in die Luft sprengt. Nein, Christen leiden in der Nachfolge ihres Herrn, weil sie wissen, dass ihr Herr etwas für sie getan hat, was sie selber niemals tun könnten, dass er für sie am Kreuz gestorben ist, um ihre Sünden zu tragen und wegzunehmen. Christen leiden, weil sie wissen, dass sie gerettet sind, weil sie nicht erst tun müssen, was sie selber völlig überfordern würde. Aber sie leiden zugleich in der Gewissheit, dass gerade da, wo sie als Christen angegriffen, verleumdet, verhaftet, verurteilt werden, Gottes Geist sie stärken wird, ihnen die rechten Worte geben wird, sie hindurchtragen wird durch alles Leiden hindurch. Gerade auch dies gehört zum Leben in der Gemeinschaft mit Christus hinzu – und wie oft haben Christen dies gerade in der Verfolgung erfahren, wie Gottes Geist ihnen Kraft geschenkt hat, sich zu Christus zu bekennen, ihm treu zu bleiben, auch wenn dies menschliche Kräfte bei weitem überstieg.

Natürlich stellt man sich bei den Bildern von der Verfolgung von Christen immer wieder diese Frage: Wie würdest du selber in solch einer Situation reagieren? Wenn man dann nur auf sich selber, auf seine eigenen Möglichkeiten schaut, dann muss man wohl ehrlicherweise zugeben, dass es da mit der Leidensbereitschaft oft nicht so weit her ist. Da ist man dann schon stolz, wenn man es überhaupt schafft, am Sonntagmorgen den Kampf mit seinem Kopfkissen zu gewinnen und sich auf den Weg zur Kirche zu machen. Doch wir können diese Frage, wie wir in der Verfolgung reagieren, eben nicht mit einem Blick auf uns selber beantworten. Denn damit würden wir gerade übersehen, was das Neue Testament uns immer wieder so deutlich vor Augen stellt: Dass Gottes Geist gerade da Menschen stärkt, wo sie in solch eine Situation geraten, dass er ihnen gerade dann die Kraft schenkt, wenn sie sie brauchen – und nicht schon vorher auf Vorrat.

Und damit sind wir schon beim Zweiten, was uns der 1. Petrusbrief hier deutlich macht: „Freut euch, dass ihr mit Christus leidet“, so schreibt er hier. Wir mögen mit dem Gedanken an das Leiden von verfolgten Christen ganz Anderes verbinden: Wut, Empörung, Protest. Und all dies ist ja auch menschlich ganz verständlich. Aber der 1. Petrusbrief hilft uns, die Dinge noch einmal anders wahrzunehmen: Wir haben Grund zur Freude im Leiden mit Christus, eben weil wir wissen, dass sich gerade in diesem Leiden die Verbundenheit mit Christus erweist, weil wir wissen, dass uns dieses Leiden nicht von Gott trennt, sondern immer mehr in seiner Gemeinschaft festmacht.

Ja, das klingt jetzt alles so schön und einfach, wenn man es von einer Kanzel erzählt in einem Land, in dem sich unsere Leiden als Christen zurzeit sehr in Grenzen halten. Aber diese Erfahrung der Freude im Leiden um Christi willen haben eben so viele verfolgte Christen schon gemacht, können berichten davon, dass auch schwerster staatlicher Druck ihnen diese Freude nicht nehmen konnte, mit Christus sein und in ihm leben zu dürfen. Mögen uns unsere verfolgten Brüder und Schwestern gerade auch mit dieser Freude im Leiden anstecken, dass wir unsere Verbundenheit mit Christus nicht als selbstverständlich ansehen, sondern als das höchste Gut unseres Lebens überhaupt, das wir keinesfalls preisgeben möchten, ja, aus dem wir dann auch die Kraft schöpfen können für die Herausforderungen, die wir als Christen in unserem Leben auch hier in Deutschland zu bewältigen haben.

Und damit sind wir beim Dritten, was der 1. Petrusbrief uns hier deutlich macht: Wenn Christen leiden, dann bitte nur darum, weil sie als Christen identifiziert worden sind, als solche, die den Namen Christi tragen. Gerade in der Situation der Verfolgung ist es ganz wichtig, dass Christen nicht andere, unnötige Angriffspunkte bieten, dass bei ihnen Glauben und Leben nicht auseinanderfallen. Wenn jemand als Christ unrecht tut und dafür bestraft wird, auch vom Staat bestraft wird, dann kann er nicht damit kommen, dass er nun als Christ verfolgt wird. Im Gegenteil: Er schadet damit auch seinen Brüder und Schwestern, wenn sich die Feinde des christlichen Glaubens auf das Fehlverhalten des einen einschießen und es pauschal dann auch allen anderen unterstellen.

Diese Mahnung des 1. Petrusbriefes gilt auch uns heute: Wir merken, wie die Kirchen, wie auch Christen heute schon in besonderer Weise kritisch wahrgenommen und betrachtet werden in ihrem Verhalten, dass man an sie andere Maßstäbe anlegt als an andere. Nehmen wir unsere Verantwortung wahr, leben wir so, wie es unserem Glauben entspricht. Und wenn wir dann gerade darum angegriffen werden, weil wir uns an Gottes Gebote halten, dann dürfen wir gewiss sein: Wir ehren Gott, wenn man uns angreift, eben weil wir Christen sind, weil wir unseren Glauben auch in unserem alltäglichen Leben praktizieren.

Wir merken schon: Was die Heilige Schrift über die Verfolgung von Christen zu sagen hat, bezieht sich nicht nur auf die Abschlachtung von Christen durch satanische islamistische Terroristen. Das betrifft auch unser Leben ganz direkt. Mögen wir uns von dem Glaubens- und Lebenszeugnis unserer verfolgten Schwestern und Brüder stärken lassen, dass auch wir mit Christus leben, uns über die Gemeinschaft mit ihm freuen und Gott damit ehren, dass Menschen auch bei uns entdecken: Der ist ja ein Christ! Amen.