Geistliches Wort im Monat Mai

Das geistliche Wort für den Monat Mai von Pfarrer Dr. Gottfried Martens: Ich will beten mit dem Geist und will auch beten mit dem Verstand. (1. Korinther 14,15 - Monatsspruch für Mai)


Unsere Gottesdienste sind keine Schulveranstaltungen. Der Pastor ist kein „Lehrer“, der sich für den Gottesdienst gleichsam ein Lernziel setzt, das am Ende des Gottesdienstes erreicht sein soll und dessen Erreichung dann womöglich sogar noch kontrolliert werden könnte. Unsere Gottesdienste sind vielmehr Feste, weil sie nicht weniger sind als eine Audienz beim auferstandenen CHRISTUS: Zu IHM kommen wir, mit ihm feiern wir, und darum geht es im Gottesdienst nicht bloß um Wissensvermittlung. Mit allen Sinnen feiern wir den Gottesdienst: Wir hören nicht nur gesprochenes, sondern auch gesungenes Wort, wir hören Orgel, Posaunen und Flöten, wir sehen die Bilder, die Gewänder, die Gesten, die äußerlichen Zeichen der Sakramente, wir schmecken den leibhaftig gegenwärtigen Herrn im Brot und Wein des Heiligen Mahles, wir fühlen die Hand, die uns bei der Absolution aufgelegt wird, wir vollziehen den Gottesdienst mit unserem Körper nach, wenn wir uns erheben, niederknien oder uns segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes. Nein, all dies sind nicht bloß „Äußerlichkeiten“; auch in diesen äußerlichen Vollzügen verleiblicht sich der Geist Gottes in seinem Wirken.

Der Apostel Paulus spricht sich nicht dagegen aus, dass solche Elemente im Gottesdienst, die das Rationale übersteigen, ihren Platz in der gottesdienstlichen Feier haben. Wohl aber geht es ihm darum, dass in der Feier des Gottesdienstes der Verstand nun nicht einfach ausgeschaltet werden soll. Der Gottesdienst ist eben nicht bloß ein emotionales oder ästhetisches Happening; was im Gottesdienst geschieht, soll auch dem Verstand zugänglich sein. Das bedeutet nicht, dass jede Formulierung der Lieder und der Liturgie für alle Gottesdienstteilnehmer verstehbar sein muss. Es gehört mit zum Reichtum unserer Liturgie, dass sich uns viele ihrer Aussagen erst im Laufe der Zeit in ihrer Tiefe erschließen. Wohl aber sollten wir uns immer wieder fragen, in welcher Weise wir dem Gebot der Verständlichkeit in unseren Gottesdiensten angemessen nachkommen können. Darum versuche ich gerade auch in der Predigt, eine verständliche Sprache zu sprechen. Dies ist in einer Zeit, in der die Sprachwelten der verschiedenen Generationen, Schichten und Gruppen immer weiter auseinanderdriften, gar nicht so einfach. Was der eine als „zu platt“ empfinden mag, ist für andere immer noch „zu hoch“. Und um das Mitbeten mit dem Verstand zu ermöglichen, versuche ich ja auch auf verschiedenen Wegen, die gottesdienstlichen Vollzüge immer wieder zu erklären. Paulus ging es damals in der Gemeinde in Korinth aber auch noch um etwas Anderes: Er wollte, dass der Gottesdienst nicht bloß der Pflege der individuellen Frömmigkeit diente, und wollte erst recht nicht, dass Gemeindeglieder ihre individuelle Frömmigkeit gleichsam der Gemeinde überstülpten. Sondern alles im Gottesdienst sollte dem Aufbau der ganzen Gemeinde dienen und allen Gemeindegliedern den Mitvollzug ermöglichen. Genau das ist auch der Sinn unserer Liturgie: Sie beteiligt die gesamte Gemeinde aktiv am gottesdienstlichen Geschehen und verhindert, dass aus Gottesdienstteilnehmern Zuschauer werden. Die Gemeindeglieder sollen sich nicht dauernd auf Überraschungen gefasst machen, sondern zu Hause sein in dem, was sie feiern. Auch darum geht es beim „Beten mit dem Verstand.“ Und genau dazu sind auch Sie eingeladen!