05.08.2007 | St. Matthäus 13, 44 (9. Sonntag nach Trinitatis)

NEUNTER SONNTAG NACH TRINITATIS – 5. AUGUST 2007 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 13,44

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

„Sie sollten bei der Anlage Ihres Vermögens auf eine gute Mischung achten“, sagte die Anlageberaterin zu ihrem Kunden in der Bank. „Wenn Sie Ihr Vermögen nur auf dem Sparbuch anlegen, ist die Rendite zu niedrig; wenn Sie aber alles in Aktien anlegen, dann ist das Risiko zu groß, dass Sie am Ende einen großen Verlust machen. Außerdem müssen Sie sich überlegen, wie viel Geld sie kurzfristig verfügbar haben wollen und wie viel sie längerfristig anlegen können.“
Nach diesem Rezept, Schwestern und Brüder, gestalten viele Menschen auch ihr Leben insgesamt: Zunächst und vor allem will man natürlich direkt was im Leben herausbekommen, will jetzt seinen Spaß haben, will jetzt das Leben genießen. Für eine ungewisse Zukunft versaue ich mir doch jetzt nicht mein Leben! Aber etwas Investition in die Zukunft ist dann vielleicht doch nicht schlecht; wenn man noch Geld und Zeit übrighat, dann sollte man es vielleicht doch auch in die Sicherung der Zukunft stecken; Angebote dafür gibt es ja genügend auf dem Markt. Und dann gibt es ja auch noch den Bereich des Religiösen im Leben. Den sollte man auch nicht ganz unberücksichtigt lassen. Es könnte ja sein, dass da nach dem Tod doch noch irgendwas kommt, und dann ist es ganz gut, wenn man da auch noch irgendwo seine Aktien hat, die man dann einlösen kann. Aber auch da kommt es selbstverständlich auf eine gute Mischung an: Es wäre natürlich verrückt, dabei alles auf eine Karte zu setzen, sein ganzes Leben nur auf den Glauben, nur auf Gott auszurichten. Dann versaut man sich möglicherweise sein ganzes Leben – und wer weiß, ob sich das am Ende überhaupt lohnt! Und außerdem ist ja auch das religiöse Angebot sehr vielfältig: Gewiss, der christliche Glaube ist als eine recht seriöse Anlagemöglichkeit bekannt; aber da gibt es daneben alle möglichen interessanten neueren Anlagemöglichkeiten, die sofortigen Gewinn versprechen: Bringen die Lebensweisheiten des Dalai Lama nicht letztlich sogar noch mehr als diese merkwürdigen Worte der Heiligen Schrift? Kann man nicht doch gleichzeitig Christ sein und nebenbei noch an die Wiedergeburt glauben, dass man eben doch noch eine weitere Chance in einem nächsten Leben bekommt, wiedergutzumachen, was in diesem Leben nicht so ganz optimal gelaufen ist? Und könnte es nicht doch sein, dass an den Horoskopen was dran ist, dass mein Sternzeichen eben doch mein Leben mitbestimmt?
Von einer sehr einseitigen Vermögensanlage berichtet uns Christus in der Predigtlesung des heutigen Sonntags: Da versucht es ein Mensch nicht mit einer guten Mischung, sondern er setzt bei seiner Vermögensanlage alles auf eine Karte und kriegt sich dabei vor lauter Freude gar nicht mehr ein. Alles Vermögen in den Erwerb einer Immobilie zu stecken – ob das wirklich so klug ist, mögen wir fragen. Aber andererseits können wir diesen Menschen dann auch wieder gut verstehen, können wir nachvollziehen, dass er so und nicht anders gehandelt hat.
Schauen wir uns die Geschichte, die uns Christus hier erzählt, also noch einmal genauer an:
Da hatte es in den Jahrhunderten vor der Geburt Christi im Heiligen Land alle möglichen Kriege und Bürgerkriege gegeben, mit allem, was so dazugehörte: Plünderungen der Häuser und frühzeitigem Tod von Familienmitgliedern. Da musste man schon vorsorgen, und so hatten nicht wenige Menschen im Heiligen Land ihren Besitz vorsichtshalber nicht bei sich im Hause gelagert, sondern ihn lieber irgendwo versteckt, zum Beispiel irgendwo auf einem Acker vergraben. Doch wie das Leben so spielt – bevor diejenigen, die den Schatz vergraben hatten, ihr Geheimnis weiterreichen konnten, starben sie mitunter, und so blieb der Schatz, den sie verbuddelt hatten, irgendwo in einem Acker verborgen. Manchmal dauerte es dann Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, bis schließlich jemand auf solch einen Schatz im Acker stieß. So wird in einer rabbinischen Erzählung von einem Mann berichtet, dessen Kuh beim Pflügen mit einem Mal mit ihren Beinen tief im Acker versank, und als sein Besitzer sie mühsam wieder hochgezogen hatte, stellte er fest, dass sich in dem Hohlraum, in den die Kuh gesunken war, solch ein Schatz befand.
Nun war der Mann, von dem Jesus hier berichtet, nicht selber der Besitzer des Ackers, sondern er war vermutlich ein Tagelöhner, der im Auftrag des Besitzers sein Feld pflügte. Das war damals weit verbreitete Praxis. Und dieser Mann stößt nun beim Pflügen eines Tages auf einen harten Gegenstand. Zunächst ärgert er sich gewiss, denkt wahrscheinlich an einen Felsbrocken, der ihm das Pflügen erschwert, bis er feststellt, dass er auf einen solchen Schatz gestoßen ist. Was sollte er machen? Den Schatz einfach auszubuddeln und ihn mitzunehmen – das war verboten. Aber er war auch nicht dazu verpflichtet, den Fund anzuzeigen. Er hatte das Recht dazu, den Acker zu erwerben, ohne vorher mitzuteilen, was er dort gefunden hatte. Und genau das macht dieser Mann in unserer Geschichte hier nun: Er verbuddelt den Schatz wieder sorgfältig, dass ihn niemand sonst finden kann, und dann startet er eine scheinbar völlig wahnsinnige Aktion: Er verkauft alles, was er besitzt, bis auf das letzte Hemd und kauft mit dem Geld, das er zusammengekratzt hat, dieses Stück Land, diesen Acker, auf dem sich der Schatz befindet. Für völlig verrückt werden ihn die Leute in seiner Umgebung gehalten haben; doch er, der Tagelöhner, er weiß, was er tut: Mit dieser Investition macht er den Gewinn seines Lebens.
Und genau so geht Gott mit uns Menschen um, so sagt es uns Jesus hier. Nein, er brauchte das damals gar nicht ausdrücklich zu sagen; die Leute verstanden die Bilder, die er in seinen Gleichnissen gebrauchte. Wenn Jesus in der Einleitung seiner Gleichnisse von einem Menschen sprach, dann meinte er damit immer wieder Gott: Ein Mensch hatte zwei Söhne, es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl, ein Mensch pflanzte einen Weinberg, oder, so hörten wir es im Heiligen Evangelium des heutigen Tages: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Menschen, der außer Landes ging. Und was der Acker ist, das sagt Jesus in einem der Verse, die unserer Predigtlesung unmittelbar vorausgehen, ganz direkt: „Der Acker ist die Welt.“ Und der Schatz im Acker – das ist Gottes Volk, das ist Israel, so wird es auch in rabbinischen Erzählungen aus der Zeit Jesu bezeichnet. Und mit diesem Bildmaterial erzählt Jesus hier nun diese wahrlich aufregende Geschichte: Er vergleicht Gott mit solch einem Tagelöhner, der bei seiner Arbeit auf einen Schatz stößt: Mitten in dieser Welt findet er einen Schatz, sein Volk, das in seinen Augen unendlich kostbar ist. Gott freut sich über diesen Fund, freut sich darüber so sehr wie der Hirte, der das verlorene Schaf gefunden hat, wie die Frau, die ihren verlorenen Groschen wiedergefunden hat, wie der Vater, der seinen Sohn wieder in die Arme schließen darf. Und was macht er? Er verbirgt den Schatz zunächst wieder; dies ist sein Weg, den Schatz endgültig für sich zu erwerben. Verborgen bleibt sein Volk in dieser Welt, nicht erkennbar für die Außenstehenden, scheinbar ganz allein zurückgelassen. Gott lässt sein Volk im Dreck stecken – nicht weil es ihm egal wäre, sondern weil er es gerade so für immer zu seinem Eigentum machen will. Und damit sein Schatz, sein Volk, zu seinem Eigentum werden kann, muss Gott auf alles verzichten, was er hat: Alles setzt er auf eine Karte, nichts behält er für sich, alles, sein Leben, seine Liebe, alles gibt er hin am Kreuz – nur um sein Volk unwiderruflich zu seinem Eigentum zu machen. Erkauft hat er sein Volk nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben. Billiger war es für ihn nicht zu bekommen. Nein, Gott hat nicht geschummelt, er hat nicht beide Augen zugedrückt. Als er sein Volk erworben hat, hat er dem Gesetz Genüge getan, hat bezahlt, was nötig war, dass niemand, wirklich niemand die Rechtmäßigkeit dieses Erwerbs in Frage stellen kann. Und dann schaut euch an, was er erwirbt: Er kauft nicht bloß den Schatz, er kauft den ganzen Acker, erwirbt die ganze Welt um seines Volkes willen: Christus lässt sein Leben nicht bloß für ein paar besonders fromme Exemplare der Menschheit am Kreuz, nein, siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Um Israels willen hat Gott die ganze Welt erlöst und damit auch uns erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels. Wie unvernünftig von ihm, und doch zugleich: Was für ein Grund zur Freude – zur Freude für Gott und für uns!
Liebe Schwester, lieber Bruder, ich hoffe, du hast es schon gemerkt: Es geht in dieser Geschichte auch um dich: Schau dir diesen Tagelöhner an, wie er da auf dem Acker herumspringt und sich vor Freude über seinen Schatz nicht mehr einkriegt: So sehr freut sich Gott über dich. Über mich? – So magst du mit Recht fragen. Was habe ich denn, bitteschön, Gott schon zu bieten, dass dies bei ihm auch nur ein leichtes Zucken der Mundwinkel hervorrufen könnte? Recht hast du mit deiner Frage, Recht hast du mit deiner Beobachtung. Aber es stimmt eben dennoch: In Gottes Augen bist du unendlich wertvoll, obwohl du ihm nichts zu bieten hast, in Gottes Augen bist du so wertvoll, dass er nicht ohne dich weiterleben, nicht ohne dich auskommen will. In Gottes Augen bist du so wertvoll, dass er alles, was er hatte, für dich dahingegeben hat, seinen einzigen Sohn, nur um dich zu erwerben. Mensch, was hat Gott für dich eingesetzt! Gewiss, noch steckst du in deinem Leben mitten drin im Matsch dieser Welt, noch magst du den Eindruck haben, dass Gott einfach von dir weggegangen ist und dich allein zurückgelassen hat. Noch magst du dich immer wieder fragen, warum Gott sein Volk in dieser Welt nicht klarer und eindeutiger erkennbar werden lässt, dass alle gleich erkennen können: Ja, es lohnt sich, zu diesem Volk, zu Gottes Kirche zu gehören. Ja, Gott wird es dir noch nicht einmal ersparen, dass du am Ende einmal scheinbar endgültig in seinen Acker gelegt wirst, dass von dir scheinbar nicht mehr übrigbleibt als das Urteil: „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staube.“ Ja, du steckst noch mitten drin im Acker, verborgen vor den Augen der Welt. Aber Gott hat dich schon erkauft, hat schon die Eigentumsrechte an dir erworben in deiner Taufe, und er hat sich schon auf den Weg gemacht, um dich endgültig herauszuholen, um dich endgültig in seine Arme zu schließen. Niemand kann ihn daran mehr hindern; niemand kann sie noch aufhalten, die große Freudenfeier, die Gott selber mit seinem Schatz veranstalten will und bei der auch du einmal mit dabei sein wirst. Ja, all das wird geschehen, weil Gott alles, wirklich alles auf eine Karte gesetzt hat, alles preisgegeben hat, um dich und mit dir sein ganzes Volk zu erwerben.
Und damit sind wir nun schon wieder bei der Anlage unseres Lebens. Gott als Risikolebensversicherung für alle Fälle, für die man vorsichtshalber auch ein bisschen vom Leben abgibt, um am Ende abgesichert zu sein – nein, das passt nicht zu der Geschichte, die uns Jesus hier in unserer Predigtlesung erzählt. Gott riskiert für uns alles – und wir sollten es für zu riskant halten, uns mit unserem Leben ganz auf ihn einzulassen? Gott gibt alles preis, was er hat – und wir sollten den christlichen Glauben nur für ein nettes Hobby halten, das wir von Zeit zu Zeit ja auch einmal pflegen können? Gott hat uns ganz zu seinem Eigentum gemacht – und wir sollten da noch überlegen, ob es in unserem Leben nicht auch ohne ihn geht, ob andere religiöse Angebote nicht vielleicht doch verlockender oder attraktiver sind?
Nein, Schwestern und Brüder, Gott erwartet von uns nicht bloß, dass er bei der Anlage unseres Lebens in einer guten Mischung irgendwo vielleicht auch noch vorkommt. Das passt nicht zu dem, was er für uns getan hat. Doch Christus schwingt hier in diesem Gleichnis eben gerade nicht die Moralkeule, und er hält uns auch nicht den Klingelbeutel unter die Nase mit den Worten: „Das tat ich für dich – was tust du für mich?“ Sondern er möchte, dass auch wir wie der Tagelöhner in der Geschichte selber in unserem Leben fündig werden, dass wir unsererseits auf diesen Schatz stoßen, auf diesen Schatz der frohen Botschaft von Gottes bedingungslosem Einsatz für uns, von seiner Bereitschaft, um unsertwillen alles preiszugeben. Christus erzählt uns dieses Gleichnis, damit wir selber fündig werden und auf diese wunderbare Botschaft von Gottes großer Freude über uns stoßen, dass wir darauf stoßen und von dieser Freude unseres Gottes angesteckt werden. Gott hat mich gefunden; ich bin in seinen Augen unendlich kostbar; er hat mich erworben und zu seinem Eigentum gemacht. Mensch, wenn mir das aufgeht, dann sieht mein Leben doch in der Tat anders aus; dann wäre ich doch mehr als kurzsichtig, wenn ich mich mit dem begnügen würde, was ich selber schaffen und erreichen und erleben kann. Und dann darf ich im Gegenteil gewiss sein, dass es sich lohnt, sich ganz auf Gott einzulassen, das ganze Leben auf ihn und sein Wort auszurichten. Nein, es lohnt sich nicht deshalb, weil wir uns mit dem Einsatz unseres Lebens bei Gott erst noch etwas verdienen müssten oder könnten. Sondern es lohnt sich, weil sich Gott schon jetzt vor Freude nicht mehr einkriegt, vor Freude darüber, dass er dich gefunden hat und dass du ihm gehörst – für immer! Amen.