05.09.2007 | St. Lukas 14, 12-14 (Mittwoch nach dem 13. Sonntag nach Trinitatis)

MITTWOCH NACH DEM 13. SONNTAG NACH TRINITATIS – 5. SEPTEMBER 2007 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 14,12-14

Jesus sprach aber auch zu dem, der ihn eingeladen hatte: Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn ein, damit sie dich nicht etwa wieder einladen und dir vergolten wird. Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.

In den kommenden 364 Tagen werden die meisten von euch wieder ihren Geburtstag feiern. Vielleicht liegen dieser Tag oder ein anderer Anlass zum Feiern auch schon etwas näher, und ihr fangt schon mal an, darüber nachzudenken, wen ihr denn zu diesem besonderen Anlass einladen werdet. Doch vielleicht braucht ihr euch darüber auch gar keine großen Gedanken zu machen, weil ihr es sowieso schon wisst, wer bei eurer Feier, bei eurem Essen mit dabei sein wird: Verwandte und Freunde, lauter Leute, bei deren Geburtstag ihr umgekehrt auch eingeladen seid, Leute, in deren Gesellschaft man sich wohlfühlt oder die man wohl oder übel einladen muss, wenn man keinen Familienkrach riskieren will.
Und da kommt nun Christus an und macht dir durch deine schöne Gästeliste einen dicken Strich: „Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn ein, damit sie dich nicht etwa wieder einladen und dir vergolten wird.“ Die Anweisung sitzt, die trifft uns, trifft direkt ins Schwarze. Gewiss, wir mögen, nachdem wir einmal tief Luft geholt haben, darauf verweisen, dass Jesus diese Worte glücklicherweise ja nicht an uns richtet, sondern an einen Pharisäer, bei dem er zum Essen eingeladen war. Das ist sicher richtig. Es heißt hier ausdrücklich: „Er sprach aber auch zu dem, der ihn eingeladen hatte.“ Doch wenn der heilige Lukas uns dieses Wort Jesu hier in seinem Evangelium überliefert, dann tut er dies gewiss nicht bloß, weil er uns schildern will, wie Jesus damals mal einen Pharisäer so richtig geschockt hat, sondern er hat diese Worte aufgezeichnet, weil Jesus auch uns darin etwas ganz Grundlegendes klarmachen und ans Herz legen will. So einfach können wir das also nicht abwimmeln, was wir gerade gehört haben. Und das gilt erst recht für die Fortsetzung dieses Wortes, das Jesus hier zu seinem Gastgeber spricht: „Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten.“ Und da magst du nun an dein schönes Wohnzimmer denken, in dem du sonst immer mit deiner Geburtstagsgesellschaft sitzt, oder an das Restaurant, in dem du zu feiern pflegst. Und da versuchst du dir vorzustellen, dass da nicht deine Familie sitzt, nicht deine Freunde und Bekannten, auch nicht der Pastor, sondern eine ganz andere Gesellschaft: Hartz IV-Empfänger, denen du in einer schwachen Stunde in deinem Herzen vielleicht auch schon mal unterstellt hast, die könnten ja eigentlich auch arbeiten, wenn sie sich nur mal ein bisschen anstrengen würden, Alkoholkranke, die sich ihre Zukunft kaputtgesoffen haben, psychisch Behinderte, die nicht besonders als Stimmungskanonen für deine Feier taugen, Körperbehinderte, die auf deine Hilfe angewiesen sind, Menschen, bei denen wir immer wieder ein bisschen hilflos sind, weil wir nicht wissen, wie wir eigentlich richtig mit ihnen umgehen sollen, Menschen, über die wir im Alltag vielleicht schnell hinwegsehen, um diese Hilflosigkeit nicht zu deutlich erkennbar werden zu lassen. Und während du dir diese Festgesellschaft in deinem Wohnzimmer vorstellst, regt sich der Protest in deinem Inneren doch deutlicher: Das kann mir Jesus doch wirklich nicht zumuten; wie kommt der dazu, sich so in meine Privatangelegenheiten einzumischen?
Doch genau mit dieser Frage kommen wir dem Kern der Sache schon ein Stück näher: Wer ist dieser Jesus eigentlich für uns? Gestehen wir ihm zu, dass er Herr über unser ganzes Leben ist, selbst über die Gestaltung unserer Geburtstagsfeiern, oder ist er für uns nur ein Spezialist zur Befriedigung unserer religiösen Bedürfnisse? Noch mal anders gefragt: Was bedeutet uns eigentlich das Versprechen, das Jesus hier seinem Gastgeber gibt, wenn er Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde einlädt, was bedeutet uns eigentlich dieses Versprechen, das auch uns gilt: „Dann wirst du selig sein“? Wie wichtig ist uns das eigentlich, selig zu sein? Ja, vielleicht schon wichtig, aber eben doch nicht so wichtig, dass wir uns dafür unsere gute Unterhaltung bei einer Geburtstagsfeier versauen ließen!? Das kann Jesus ja wohl nicht ernsthaft von uns erwarten!
Und wenn doch? Wenn er uns dafür das Versprechen gibt, dass uns vergolten werden wird bei der Auferstehung der Gerechten? Ahnen wir, was das eigentlich bedeutet, ahnen wir, dass es tatsächlich ein Fest gibt, das noch unendlich großartiger ist als die schönste Geburtstagsfeier, die wir hier je veranstalten könnten?
An unsere heutige Predigtlesung schließt sich unmittelbar das Gleichnis vom großen Abendmahl an, von dem Menschen, der ein großes Abendmahl veranstaltet, Menschen dazu einlädt und dann zu seinem Entsetzen feststellen muss, dass die geladenen Gäste alle etwas Besseres zu tun hatten, als seiner Einladung zu folgen. Doch der Gastgeber gibt nicht auf: Noch einmal schickt er seine Knechte los und lässt genau diejenigen an seinen Tisch laden, die Jesus auch bei uns an unserem Tisch sehen möchte: die Armen, die Verkrüppelten, Blinden und Lahmen. Da finden wir sie also wieder, die Leute, die Jesus auch bei unseren Festmahlzeiten an unseren Tischen sehen möchte: Sie sitzen am Tisch des Reiches Gottes und feiern mit ihrem Herrn. Und wenn wir genau hingucken, werden wir feststellen: Wir sind ja selber auch mit dabei, sind auch an diesen Tisch geladen, Leute, die eigentlich gar nicht in die Gesellschaft dieses Herrn passen, der uns da einlädt. Gott hat das auch Überwindung gekostet, uns an seinen Tisch zu laden, uns, die Armen, die ihm nichts anderes vorzuweisen haben als den Gestank ihrer Schuld, die Verkrüppelten, die selber nichts zu ihrem Heil bewirken können, die Blinden, die immer wieder blind sind für Gott und seinen Willen, die Lahmen, die immer wieder so lahm sind, das umzusetzen, was er, der Herr, von uns will. Wir sitzen auch heute wieder hier an seinem Tisch, eingeladen, teilzuhaben am Festmahl im Reich Gottes, teilzuhaben am Leib und Blut unseres Herrn. Und dann sollten wir uns in der Tat mal umgucken, wer da noch so alles mit uns gemeinsam feiert, wer sich noch alles hat einladen lassen an diesen Tisch. Ja, die möchte Jesus auch an unseren Geburtstagstischen sehen, in unseren Häusern, möchte, dass diejenigen, die einmal in alle Ewigkeit gemeinsam an seinem Tisch sitzen werden, auch jetzt schon miteinander feiern.
Machen wir es darum als Kirche und Gemeinde unserem Herrn nach, schauen wir bei unseren Einladungen nicht darauf, was uns ein potentielles neues Gemeindeglied bringen könnte, ob sich das für uns lohnt, Menschen aufzunehmen, die für uns menschlich eher eine Last zu sein scheinen als eine Hilfe. Christus will an seinem Tisch Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde sehen, kurzum: diejenigen, die auch in unserer Gesellschaft durch so viele Raster hindurchfallen, die mit ihrer Leistungsfähigkeit einfach nicht mithalten können. Und machen wir es dann auch als Einzelne unserem Herrn nach, fangen wir wieder neu an, darüber nachzudenken, mit wem wir hier gemeinsam Anteil haben am Leib und Blut des Herrn, und fangen wir an, diese Menschen dann auch zu Hause an unsere Tische zu laden – ohne danach zu fragen, was uns das denn bringt. Dann haben wir tatsächlich schon ein Stück Himmel auf Erden, sind mit denen zusammen, die gemeinsam mit uns Anteil haben werden am Leben der Auferstehung. Denkt also über eure Gästelisten noch mal nach; es muss ja nicht bloß der Geburtstag sein. Anlässe zum Feiern haben wir als Christen auch sonst allemal. Ja, lasst euch von dem anstecken, was hier am Altar unseres Herrn immer wieder geschieht, und geht auch auf Menschen zu, die gar nicht zu euch zu passen scheinen. Das lohnt sich – bis in Ewigkeit! Amen.