07.12.2008 | St. Lukas 21, 25-33 (2. Sonntag im Advent)

ZWEITER SONNTAG IM ADVENT – 7. DEZEMBER 2008 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 21,25-33

Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.
Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.

In meinem Urlaub habe ich in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Büchern über die Zukunft gelesen: Gelesen habe ich zum Beispiel das Buch von Thomas Friedman: „Die Welt ist flach“, in dem dieser beschreibt, wie durch die neusten technologischen Möglichkeiten, durch weltweite Vernetzung die Welt immer flacher wird und Distanzen zwischen Ländern überhaupt keine Rolle mehr spielen. Eine glorreiche Zukunft erwartet Thomas Friedman dadurch, eine Zukunft, in der die Zahl der Menschen, die an Fortschritt und Wohlstand teilhaben können, immer größer wird, weil letztlich alle von dieser immer flacheren Welt profitieren. Dann las ich ein Buch von Matthias Horx, der beschreibt, wie wir oder unsere Nachkommen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts leben werden, wie sich Trends in den kommenden Jahrzehnten weiterentwickeln werden. Auch seine Zukunftsprognose klingt insgesamt ganz optimistisch. Dann las ich den Bestseller von Max Otte: „Der Crash kommt“, in dem der Wirtschaftsprofessor bereits vor zwei Jahren die Weltwirtschaftskrise zum Teil erstaunlich präzise vorhersagte. Und dann las ich auch noch ein Buch über die Zukunft unseres deutschen Gesundheitswesens, nach dessen Lektüre man sich wünscht, am liebsten innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre zu sterben, solange man medizinisch noch halbwegs vernünftig behandelt wird.
Ja, wie wird die Zukunft aussehen? So fragen sich viele am Ende dieses Jahres, das wieder so viel Unvorhergesehenes mit sich gebracht hat. Sollen wir denn nun eher optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft blicken? Darum, wie die Zukunft aussehen wird, geht es auch im Heiligen Evangelium des heutigen Sonntags. Ja, auch Christus hat etwas zu diesem Thema zu sagen. Aber er geht ganz anders vor als die Autoren der Bücher, die ich gerade beschrieben habe: Er rechnet nicht hoch, er verfolgt keine Trends, und er will umgekehrt auch keine Panik schüren. Seine Botschaft ist vielmehr eine ganz andere: Er sagt: Diese Welt wird nicht immer so weiterlaufen wie bisher. Sondern es wird in der Zukunft etwas passieren, was man gerade nicht vorherberechnen kann, was sich gerade nicht aus irgendwelchen Entwicklungen ergibt, sondern was alle bisherigen Entwicklungen abbrechen wird. „Himmel und Erde werden vergehen“, so sieht die Zukunftsschau aus, die uns Christus hier vor Augen stellt. Und doch sind seine Worte keine Panikmache, keine Drohkulisse, keine Weltuntergangsprophetie, wie wir sie von allen möglichen Sekten kennen. Nein, Christus will uns mit seinen Worten gerade keine Angst einjagen, uns nicht gelähmt auf das blicken lassen, was uns in der Zukunft bevorsteht. Sondern er will uns mit seinen Worten im Gegenteil Mut machen, ganz getrost und fröhlich hier und jetzt unser Leben als Christen zu führen, gerade weil wir wissen, was auf uns zukommt – nein: wer auf uns zukommt. Zu dreierlei leitet uns Christus hier in seinen Worten an:

- Nehmt nüchtern wahr, was geschieht!
- Lasst euch von meinen Worten prägen!
- Blickt fröhlich nach oben!

I.

Schwestern und Brüder, natürlich ist man als Prediger geneigt und versucht, bei den Worten, die wir eben gehört haben, gleich alle möglichen aktuellen Bezüge herzustellen, vor allem natürlich zur bevorstehenden Klimakatastrophe: Seht ihr, Jesus hat es doch schon vorausgesagt: Die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen; alles wird aus dem Lot geraten, und die Menschen werden nicht mehr dazu in der Lage sein, das unter Kontrolle zu bekommen. Doch Christus will uns mit diesen Worten eben gerade nicht dazu anleiten, dass wir als Christen gleichsam Hände reibend mitverfolgen, wie es mit dieser Welt bergab geht, weil das ja genau dem biblischen Fahrplan für das Weltende entspricht. Blasen wir ruhig noch etwas mehr CO2 in die Luft; vielleicht kommt Christus dann noch ein wenig eher wieder! Doch genauso wenig eignen sich die Worte Christi aus dem Heiligen Evangelium für eine Ökopredigt nach dem Motto: Lasst uns die Welt retten, bevor es zu spät ist! Ökologisch korrektes Handeln ist die erste Pflicht eines rechten Christen! Nein, so zeigt es uns Christus hier sehr nüchtern und deutlich: Diese Welt lässt sich irgendwann nicht mehr retten; Himmel und Erde werden vergehen – allerdings nicht dann, wenn die Menschen es geschafft haben, diese Welt zu ruinieren, sondern dann, wenn Gott es will.
Christus geht es hier in seinen Worten um etwas ganz Anderes: Er stellt die Panik, die die Menschen angesichts der Zeichen der letzten Zeit erfasst, der getrosten Nüchternheit gegenüber, mit der die Christen verfolgen dürfen und können, was in dieser Welt geschieht. Christen sind nicht blauäugig: Sie erwarten gerade nicht, dass sich diese Welt immer mehr in ein Paradies verwandelt, dass sich irgendwann einmal alle Probleme auf dieser Welt lösen, weil die Menschen so vernünftig geworden sind, dass sie nur noch tun, was für sie selber und für die anderen gut ist. Aber Christen geraten eben gerade darum auch nicht in Panik oder verzweifeln, wenn sie feststellen, dass die Menschen es nicht schaffen, die Probleme dieser Welt wirklich in den Griff zu kriegen. Ja, Christen wissen: Diese Welt bewegt sich auf ihr Ende zu, das wir nicht verhindern können und auch nicht verhindern sollen, weil eben dies Gottes Plan für uns entspricht. Solange das Ende noch nicht gekommen ist, haben wir als Christen den Auftrag, sorgsam mit dieser Erde umzugehen, die uns anvertraut ist, haben wir den Auftrag, zu tun, was uns möglich ist, dass Menschen ein menschenwürdiges Leben auf dieser Erde führen können. Aber vor allem sollen und dürfen wir als Christen Zeugnis von unserem Glauben ablegen, indem wir die Entwicklungen in dieser Welt nüchtern und gelassen verfolgen: Nein, das ist für uns keine Überraschung, dass es in dieser Welt so viel gibt und immer geben wird, was Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Christus hat uns dies schon längst vorausgesagt. Ja, all das, was uns an Schreckensmeldungen und Horrorszenarien erreicht und vor Augen gestellt wird, dürfen wir als Christen immer wieder neu als Erinnerung daran nehmen, dass wir dem Tag entgegengehen, an dem Himmel und Erde einmal endgültig vergehen werden. Nein, wir sollen und dürfen nicht rechnen, dürfen nicht meinen, irgendwelche Ereignisse, die wir jetzt erleben, seien der unschlagbare Beweis dafür, dass jetzt gerade das Ende bevorstehe. Aber erinnern lassen sollen und dürfen wir uns durch jede Tagesschau und jedes heute-Journal: Wir gehen der Wiederkunft unseres Herrn, wir gehen dem Ende der Welt entgegen. Wie die Blätter an den Bäumen den kommenden Sommer ankündigen, so kündigen auch all die täglichen Nachrichten aus aller Welt das Kommen des Reiches Gottes an, wenn wir denn nur Ohren haben zu hören. Und weil wir dies wissen, dass die Welt ihrem Ende entgegengeht und wir mit ihr, braucht uns nichts zu schrecken und zu lähmen, dürfen wir uns gerade darum in dieser Welt engagieren und einsetzen, weil wir’s wissen: Unser Herr kommt!

II.

Himmel und Erde werden vergehen, so deutlich und so nüchtern kündigt Christus an, was in der Zukunft geschehen wird. Von dieser Kirche, in der wir jetzt sitzen, wird einmal nichts mehr übrig bleiben. Von deiner Wohnung, deinem Haus wird einmal nichts mehr übrigbleiben. Von deinem Bankkonto wird einmal nichts mehr übrigbleiben, auch nichts von deinem Auto, deinem I-Pod, deinen Klamotten. All das, was so vielen Menschen in ihrem Leben wichtig sein mag, worauf sie ihr Leben gegründet haben, all das wird sich einmal in nichts auflösen, davon wird nichts mehr übrigbleiben. Ja, uns Menschen wird gleichsam der Teppich unter den Füßen weggerissen werden.
Was bleibt denn dann überhaupt noch, wenn Himmel und Erde, wenn schlichtweg alles vergehen wird? „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht“, so kündigt es Christus an. Alle Bücher dieser Welt werden einmal vergehen, alle CDs und Blue Ray Discs dieser Welt werden einmal vergehen. Aber die Worte, die Christus gesprochen hat, die er uns ganz persönlich zugesprochen hat, die bleiben. Wenn alles, wirklich alles vergehen wird, dann werden die Worte immer noch bleiben, die Christus über dir in deiner Heiligen Taufe gesprochen hat, dann werden dich diese Worte halten und tragen – auch durch alles Unheil und alles Vergehen hindurch. Wenn alles, wirklich alles vergehen wird, dann wird immer noch Bestand haben, was Christus dir im Heiligen Abendmahl zugesagt hat: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, ja, der bleibt in mir und ich in ihm.“ Wenn alles, wirklich alles vergehen wird, dann wird immer noch Bestand haben, was Christus dir auch heute Morgen auf den Kopf zugesagt hat: „Dir sind deine Sünden vergeben; nichts gibt es, was dich daran hindern könnte, in Gottes neuer Welt mit dabei zu sein.“
Schwestern und Brüder, ahnt ihr, warum es von daher so wichtig ist, dass ihr euch immer wieder hier einfindet, dass ihr immer wieder Gottes Wort hört und euch von ihm prägen lasst, dass ihr euch immer wieder mit Christus verbinden lasst? Hier bekommt euer Leben die einzige Grundlage, die wirklich Bestand hat, die euch in Gottes neue Welt hindurchzutragen vermag, sei es, dass dies in eurer Sterbestunde geschieht, sei es, dass ihr es hier auf Erden noch miterleben werdet, dass sich erfüllt, was Christus hier ankündigt. Hier bekommt ihr den Teppich unter eure Füße, den nichts und niemand auf der Welt wegziehen kann, der euch einen festen Halt schenkt auch und gerade dann, wenn die Menschen um euch herum alle Hoffnung verlieren und aufgeben mögen. Ja, so betont es Christus hier ausdrücklich: „Lasst euch nicht dadurch irritieren, dass es so viele in eurer Umgebung gibt, die von meinem Wort nichts wissen wollen: Solange diese Welt besteht, wird es Menschen geben, die sich meinem Wort verschließen, die meine Einladung ablehnen, die euch, die ihr auf mein Wort hört, angreifen, auslachen, mitunter auch verfolgen werden: Ja, dieses Geschlecht, das mich ablehnt, das wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Nehmt darum gerade auch alle Ablehnung und alle Anfeindung, die ihr als Christen erfahrt, als ein Zeichen – als ein Zeichen, das euch ermutigen soll, umso fester an mir und meinem Wort zu bleiben. Die Menschen, die keinen Halt in mir haben, die werden vergehen, genau wie Himmel und Erde vergehen werden. Bleiben wird nur der, den mein Wort ewig macht, der durch mein Wort das ewige Leben hat. Ja, haltet euch darum an dieses Wort allein.“

III.

Was erwartet uns in der Zukunft? Auf diese Frage liefert uns St. Lukas hier nur wenige Informationen. Denn das Entscheidende ist nicht, was uns in der Zukunft erwartet, sondern wer uns in der Zukunft erwartet: Er, Christus, der Menschensohn, der wiederkommende Herr. Wenn er, Christus, kommen wird, dann wird es unter den Menschen keine Diskussionen mehr darum geben, wer er denn ist und ob er es denn ist, er, Christus, der Herr. Alle Menschen werden ihn sehen und erkennen, wenn er kommen wird, wenn er uns den Schleier von den Augen reißen wird und uns erkennen lassen wird, wer er in Wirklichkeit ist: er, der lebendige Gott.
Von Herzen freuen dürfen wir uns auf diesen Tag, denn für die, die zu ihm gehören, wird sich an diesem Tag seines Kommens nicht weniger als die Erlösung nahen, die Befreiung von all dem, was uns jetzt noch so bedrückt und belastet. All die Begleitumstände seines Kommens, all das, was Menschen in Furcht und Erschrecken versetzen mag, all das braucht uns nicht zu beeindrucken, darauf brauchen wir gar nicht zu blicken. Nein, wenn dies alles geschieht, was Christus hier ankündigt, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!
Ja, erhobenen Hauptes dürfen wir als Christen durchs Leben gehen. Was uns auch bedrücken und bewegen mag: Nichts soll unseren Blick darauf verstellen, dass wir dem kommenden Herrn entgegengehen und seiner neuen Welt, die er schafft. Nein, wir brauchen unseren Kopf nicht hängen zu lassen, wir brauchen uns nicht entmutigen zu lassen und nicht zu verzweifeln: Unsere Erlösung naht. Ja, Schwestern und Brüder, was Christus uns hier zusagt, das dürfen wir geradezu als Anleitung zu einer Körperübung nehmen: Üben wir es ruhig ein, jeden Tag einmal ganz bewusst aufzublicken, unseren Kopf nach oben zu strecken und diese Worte Christi für uns nachzusprechen: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ So vieles, was uns in unserem Alltag begegnet, wird dann in einem anderen Licht erscheinen, wenn wir diesen Blick nach oben, diesen Blick nach vorne bewusst immer wieder einüben.
In gut zwei Wochen ist schon wieder Weihnachten. Für manche unter uns mag dies auch so eine Vorstellung sein, die uns eher Panik als Freude einjagt: „Hilfe, so bald ist das schon, und ich muss noch so viel erledigen!“ Lassen wir uns durch das Heilige Evangelium des heutigen Tages auch in dieser Hinsicht wieder die Blickrichtung korrigieren: Das Ziel, auf das wir zusteuern, ist nicht die Bescherung am Heiligen Abend, ist nicht die Weihnachtsgans. Das Ziel, dem wir entgegengehen, ist die Begegnung mit dem wiederkommenden Herrn, demselben Herrn, der einst in Bethlehem in der Krippe gelegen hat und der nun auf uns zukommt, um uns endgültig zu erlösen. Wenn uns das klar ist, dann bekommt auch Weihnachten seinen rechten Stellenwert. Darum seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht! Amen.