29.09.2008 | Hebräer 1, 7. 13-14 (St. Michaelis)

ST. MICHAELIS – 29. SEPTEMBER 2008 – PREDIGT ÜBER HEBRÄER 1,7.13-14

Von den Engeln spricht er zwar (Psalm 104,4): »Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen«.
Zu welchem Engel aber hat er jemals gesagt (Psalm 110,1): »Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache«? Sind sie nicht allesamt dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen?

Glaubt ihr an Engel? Ich glaube nicht an Engel, um das ganz klar zu sagen. Ich glaube allein an Jesus Christus, dem die Engel dienen und der mir seine Engel zum Dienst und zur Hilfe sendet.
Nein, Schwestern und Brüder, das ist keine Haarspalterei; das ist gerade heutzutage eine ganz wichtige Unterscheidung, die wir machen müssen. „Glauben“ bedeutet ja nicht einfach bloß „etwas für wahr halten, etwas für existent halten“. Von solch einer Art von Glauben kann Jakobus schreiben: „Du glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust recht daran; die Teufel glauben’s auch und zittern.“ In diesem Sinne können wir natürlich glauben, dass es auch Engel gibt. Und wir tun recht daran, dies zu glauben. Aber an Engel glauben wir nicht, denn das hieße ja, den Engeln zu vertrauen, auf sie unsere Hoffnung zu setzen. Und damit würden wir den Engeln zukommen lassen, was allein Gott gebührt: Ihm allein sollen wir über alle Dinge vertrauen.
Wie gesagt, diese Unterscheidung ist heutzutage ganz wichtig und aktuell. Es ist heute ja ganz in, an Engel zu glauben. Umfragen zufolge glauben in Deutschland mehr Menschen an Engel als an Gott. Der Glaube an Engel ist nicht etwas spezifisch Christliches. Diesen Glauben gibt es auch in anderen Religionen, und der Glaube an Engel spielt gerade auch in der Esoterik eine ganz wichtige Rolle. Man braucht einfach nur mal bei „Google“ das Stichwort „Engel“ einzugeben; da findet man schon auf der ersten Seite die entsprechenden Websites, auf denen man sich beispielsweise für ein Wochenendseminar zur Kontaktaufnahme mit Engeln zum Preis von läppischen 395 € anmelden kann oder auf denen man auch direkt per Internet eine Engel-Meditation erlernen kann: Ich zitiere: „Rufe jetzt Deinen Schutzengel, Deinen Geistführer, bitte sie, Dich zu führen, Dich auf Deinem geistigen Pfad zu begleiten. Bedanke Dich für die Führung und Hilfe bei ihnen. Bitte die Transformationsengel und den Erzengel Michael, Dich von Negativem zu befreien, und lasse dabei alles los (Angst, Sorgen, Angewohnheiten, Süchte etc.), bitte ihn, Dich mit seinem Schutzschild zu umgeben. Bitte Erzengel Haniel und Erzengel Raphael, Dein Herzchakra zu aktivieren und zu heilen. Gehe dann mit Deiner Aufmerksamkeit in Deine Mitte, in Dein Herzzentrum. Sage Dir dreimal: ‚Ich bin Liebe. Ich bin Licht. Ich bin Heil. Ich bin Freude. Ich bin Frieden.’“ Das klingt ja alles sehr fromm, das klingt sogar ein bisschen nach Michaelis – und ist doch in Wirklichkeit das glatte Gegenteil dessen, worum es in unserem christlichen Glauben geht. Da geht es nicht darum, dass ein Engel mich anleitet zu sagen: „Ich bin Liebe. Ich bin Licht. Ich bin Heil. Ich bin Freude. Ich bin Frieden.“ Sondern es geht im christlichen Glauben darum, dass wir bekennen: Christus ist Liebe. Christus ist das Licht. Christus ist das Heil. Christus ist Freude. Er ist der Friede. Wo Menschen durch Engel von diesem Bekenntnis zu Christus abgebracht werden und ihr Heil nur noch in sich selber oder in diesen Engeln finden, da dürfen wir durchaus die ernste Warnung des Apostels Paulus im Ohr haben, der den Christen in Korinth schreibt: „Er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts.“ Nein, an Engel zu glauben muss nicht unbedingt christlich sein.
Und damit, Schwestern und Brüder, sind wir nun schon mitten drin in der Predigtlesung des heutigen Abends. Denn solche abstrusen Formen der Engelverehrung, wie ich sie eben beschrieben und zitiert habe, sind nicht bloß ein Phänomen unserer heutigen Zeit. Sondern das war schon damals zur Zeit des Neuen Testaments ganz in, an Engel zu glauben und Engel zu verehren. Und die Gefahr war schon damals groß, dass Glieder der christlichen Gemeinde solche esoterischen Engelvorstellungen mit ihrem christlichen Glauben vermischten. Und genau dagegen wendet sich der Verfasser des Hebräerbriefes hier in aller Deutlichkeit. Nein, er hat überhaupt nichts gegen Engel, ganz im Gegenteil. Aber er macht den Empfängern seines Briefes sehr deutlich, wie wir als Christen in der rechten Weise von Engeln sprechen können, ja welche Bedeutung sie für unseren Glauben haben: Sie sind

- Diener Christi
- Diener der Christen.

I.

Um Christus geht es in unserem christlichen Glauben. Der Satz klingt so banal, dass man sich kaum traut, ihn extra noch einmal auszusprechen. Aber in diesem Zusammenhang muss der Satz doch extra noch einmal gesagt werden. Um Christus geht es in unserem christlichen Glauben. Es geht in unserem Glauben nicht darum, dass ich mich in meinem Leben wohlfühle und es mir immer gut geht und dass ich dafür dann irgendwelche höheren Mächte brauche, die mir dazu verhelfen, ganz gleich, ob man sie nun Engel oder Christus nennt. Nein, es geht in unserem Glauben darum, dass wir bekennen, dass es nur einen gibt, der der Herr der Welt ist, der die Macht des Bösen, die Macht des Teufels gebrochen hat und einmal wiederkommen wird, um sich endgültig sichtbar als Sieger über alle Kräfte, die ihm widerstreben, zu erkennen zu geben. Christus ist nicht mein Wellness-Trainer, sondern er ist mein Herr, nein, eben nicht nur mein Herr, sondern der Herr aller Mächte, der Herr aller Engel, vor dem einmal alles niederknien wird, was im Himmel und auf Erden und unter der Erde ist.
Ja, diesem Christus dienen alle Engel. Wie Feuerflammen brennen die Seraphim vor seinem Thron, in unüberschaubar großen Chören stimmen Engel das Lob des Herrn an, von ihm, Christus, lassen sie sich aussenden, in seinem Auftrag kämpfen und siegen sie gegen alle Mächte des Bösen. Ja, sie selber treten dabei immer wieder zurück; es geht den Engel nicht um sich selber, nicht darum, dass sie selber groß rauskommen. Es geht ihnen einzig und allein um Christus; um seinetwillen werden sie gleichsam durchsichtig, transparent, möchten gar nicht, dass wir sie, sondern nur, dass wir ihn, den Herrn, wahrnehmen und erkennen. Ja, das unterscheidet die Engel Christi vom Teufel: Der Teufel tritt nicht zur Seite, um den Blick auf Christus freizumachen; der möchte, dass man vor ihm niederfällt, ihn anbetet, von ihm alles Heil und Glück dieser Welt erwartet, kurzum: Er möchte, dass wir an ihn glauben.
Doch gerade darin erweist er sich als Betrüger, so macht es die Epistel des heutigen Festtags deutlich: Der Teufel ist der große Verlierer; am Ende wird er höchstens als Fußabtreter Christi Karriere machen können, mehr nicht. Wer an den Teufel glaubt, der ist von vorgestern, der hat noch nicht mitbekommen, dass der Teufel längst von Christus entmachtet ist. Ja, genau das feiern wir immer wieder in unseren Gottesdiensten: Da stehen wir Seite an Seite mit den Engel, feiern gemeinsam mit ihnen Christus, den Sieger, stimmen in ihre Gesänge ein, dürfen so gemeinsam mit ihnen Christus dienen. Nein, ich glaube nicht an Engel; sondern ich glaube an Christus, den Sieger, und bete ihn an – gemeinsam mit allen heiligen Engeln.

II.

Schwestern und Brüder, wenn wir an die Engel denken, dann mögen wir so die Vorstellung haben, als würden die Engel gleichsam zwischen Gott und den Menschen stehen: Oben ist Gott, dann kommen die Engel, und darunter kommen dann die Menschen. Doch der Hebräerbrief nennt uns hier eine andere Rangfolge: Oben ist Christus, dann kommen die Menschen – und darunter kommen die Engel. Die Engel sind nicht dazu da, dass sie von den Menschen verehrt werden, sondern dazu, dass sie den Menschen dienen. Die Engel sind Diener der Menschen – Schwestern und Brüder, habt ihr euch schon mal klargemacht, wie atemberaubend diese Behauptung ist, die der Verfasser des Hebräerbriefes hier aufstellt?
Nein, es ist ja nicht so, dass wir Menschen von Natur aus so tolle Hechte wären, dass Gott uns seine ganzen himmlischen Heerscharen zur Verfügung stellen würde, weil er von uns so beeindruckt wäre. Sondern Gottes unfassliche Liebe zu uns allein ist es, die uns Menschen in seinen Augen so wertvoll macht, dass er alles für uns einsetzt, nur damit wir zu ihm in den Himmel kommen. Seinen Sohn lässt er für uns am Kreuz sterben, damit uns nichts mehr von ihm trennt. Und damit wir auch bei diesem Christus bleiben, damit der böse Feind keine Macht an uns findet, wie Martin Luther es in seinem Morgen- und Abendsegen formuliert, sendet Gott selber, sendet Christus uns seine Engel. Dienen sollen sie uns, weil wir das Heil ererben sollen und damit wir das Heil ererben. Ganz unmerklich leisten sie diesen Dienst; doch so mancher von uns wird im Rückblick auf sein Leben vielleicht doch eine Ahnung davon bekommen, wie Gottes Engel auch bei ihm auf seinem Lebensweg am Werk gewesen sind, wie sie ihn auf wunderbare Weise vor so manchem Schaden bewahrt haben. Ich selber könnte da auch schon so manche Geschichte erzählen. Doch das Allermeiste von dem, was die heiligen Engel für uns tun, bekommen wir überhaupt nicht mit, merken so wenig von ihrem Kampf mit den Mächten des Bösen, merken so wenig davon, wie sie uns immer wieder schützend umgeben und umstellen. Und das brauchen wir auch gar nicht zu merken. Wir sollen uns ja nicht bei den Engeln bedanken für das, was sie tun. Sie tun ja nur ihren Dienst, zu dem sie Gott geschaffen hat. Aber Christus, unserem Herrn, dem sollen und dürfen wir allemal danken für alle Bewahrung und allen Segen, die er uns durch die heiligen Engel hat zuteil werden lassen. Ja, danken dürfen wir ihm dafür, dass wir für ihn so wichtig sind, dass er seine Engel uns dienen lässt. Und wenn wir so auf Christus blicken, ihm danken, ihm unser Leben anvertrauen, dann haben sie genau erreicht, was sie wollen und wozu sie da sind – die heiligen Engel Gottes. Amen.